DER FEUERSTEINBERGBAU


Das Material 'Feuerstein' kann in Form von Feuersteinknollen und ganzen Feuersteinlagen vorkommen. Bereits der steinzeitliche Mensch begnügte sich nicht damit, einfach nur die an der Oberfläche befindlichen Feuersteinknollen aufzusammeln, sondern er baute den Feuerstein bergmännisch ab. Zur Anwendung kam dabei sowohl der Tage- als auch Untertagebau.

Silexbergwerke und -gruben aus der Steinzeit sind in ganz Europa zu finden, die meisten davon in Frankreich, dann in Deutschland, Polen, England und Belgien, etwas weniger in Dänemark, Ungarn und Rußland, seltener in Schweden, Schweiz und Österreich. Manche dieser 'Bergwerke' waren über 100 Jahre in Betrieb.

Die Feuersteine in Ötzls Gepäck (Dolchklinge, Silexbohrer, Klingenkratzer, Lamellenstück usw.) stammen alle aus derselben Quelle. Als Herkunftsort konnte ein Mineraloge nach langwierigen Untersuchungen die östlich des Gardasees gelegenen Monti Lessini identifizieren. Von dieser Lagerstätte aus dürfte das ganze Gebiet nördlich und südlich des Alpenhauptkammes mit Feuerstein versorgt worden sein.


Je nach Art des Vorkommens entwickelten sich verschiedene Abbaumethoden bzw. Bergwerke:

Die einfachsten Methoden waren die Oberflächensammlung von Feuersteinknollen sowie ihre Gewinnung aus flachen und tieferen Gruben. In Gebieten mit Feuersteinvorkommen sind sogenannte 'Pingen' zu finden, d.h. Vertiefungen, die von kreisförmigen Aushubwällen umgeben sind. Darüberhinaus entstanden auch tiefe, breite Gruben mit einem stufenförmigen Abstieg.

An sich war dieser Tagebau vorzuziehen, da er technisch nicht so aufwendig und auch nicht so gesundheitsschädigend wie der Untertagebau war. Auch die Bergarbeiter der Steinzeit litten unter dem dicken Kreidestaub in den Stollen, der gesundheitliche Probleme verursachte ('Staublunge').

In manchen Gegenden, z.B. mit sehr brüchigem Kalkgestein, war eine andere Abbaumethode als der Tagebau gar nicht möglich.

Dagegen mußten an einigen Orten erst regelrechte Bergwerksschächte eingerichtet werden, um an die tiefergelegenen Schichten mit Feuersteinlagen heranzukommen. Diese Schächte konnten bis zu 15 Meter in die Tiefe gehen. Erreichte man eine Feuersteinschicht wurden Querstollen angelegt, um den Abbau vorzunehmen.

Bei den senkrechten Schächten konnte es sich um sehr schmale Anlagen handeln, die nicht einmal einen Meter Durchmesser besaßen. In diesen mußten die Arbeiter wie Bergsteiger in einem 'Kamin' auf- und abklettern. Möglicherweise wurden auch vereinzelt Stufen in die Wände geschlagen. Die Gesteinsbrocken konnten hier nur mit Hilfe von Seilen an die Oberfläche hinaufgezogen werden.

Natürlich gab es mancherorts auch großräumigere Bergwerksanlagen. Hier waren die Schächte sogar mehrere Meter breit, die mit Hilfe von Leitern und eingekerbten Baumstämmen zugänglich waren.

Einige von diesen Schächten erweiterten sich unten bienenkorbmäßig, andere gingen in kreuz- bzw. sternförmige Stollensysteme über usw.

Verlassene bzw. ausgebeutete Schächte und Gruben wurden mit dem Schuttmaterial eines neuen Schachtes zugeschüttet - damit wurden zum einen Einstürze verhindert, zum anderen konnte das überschüssige Material entsorgt werden.


Die Werkzeuge des steinzeitlichen Bergmannes lassen sich z.T. nur schwer rekonstruieren, da ein Teil der Gerätschaften aus vergänglichem Material bestand und nur durch Spuren im Boden bzw. an den bearbeiteten Gegenständen identifiziert werden kann.

Schlag- & Hammersteine

In der unmittelbaren Umgebung der steinzeitlichen Bergwerke finden sich häufig die sogenannten 'Schlagsteinniederlassungen', erkennbar am Fundgut (Werkstattabfälle wie unbrauchbare Abschläge, abgenutzte Gerätschaften aus Holz und Geweih, unbearbeitete Klingen, Schlagsteine usw.). Hier verarbeiteten Handwerker die Feuersteine mit ihren verschiedenen Geräten aus Stein, Holz oder Geweih zu Rohformen, aber auch bereits zu fertigen Produkten.

Das am häufigsten anzutreffende Werkzeug ist der Schlagstein. Meistens handelt es sich um faustgroße Quarzkieselsteine, daneben findet man aber auch größere Klopf- oder Hammersteine. Diese besitzen meist eine länglich-rechteckige Form mit quadratischem Querschnitt und gerundeten Schlagflächen. Sie bestehen in der Regel aus Felsgestein, z.B. einem sehr harten und zähen Stein wie Amphibolit.

Mit diesen Schlag- und Hammersteinen werden die abgebauten Feuersteinblöcke auf eine handlichere Größe zerkleinert, um sie besser transportieren zu können.

Geweihstange mit Aug- & Mittelsprosse sowie Gabel

Zu den wichtigsten Werkzeugen des steinzeitlichen Bergmannes zählen sicher verschiedene Picken und Hacken, die entweder aus Feuerstein oder Geweihen bzw. Hirschhorn hergestellt wurden. Geweihhacken bzw. Hornpicken sind daher bei Ausgrabungen häufig in den steinzeitlichen Gruben und Stollen zu finden.

Geweihhacken bzw. Hornpicken

Die Geweihe werden von Rothirschen, Rehen usw. (Cerviden) als Fortsatz des Stirnbeins ausgebildet. Das Geweih wird jedes Jahr abgeworfen, woraufhin ein neues zu wachsen beginnt. Die Zahl der Enden nimmt gewöhnlich von Jahr zu Jahr zu. Über der 'Rose', einer kranzförmigen Verdickung am unteren Ende der Geweihstange, befindet sich die erste Gabelung, die sogenannte 'Augsprosse'. Dann bildet sich die 'Mittelsprosse' aus, manchmal zwischen den beiden auch eine 'Eissprosse'. Das Stangenende spaltet sich in zwei Enden, die 'Gabeln'. Diese wiederum teilen sich anschließend in mehrere Enden, die 'Krone'. Die nötige Härte besitzt das neue Geweih aber erst im Spätherbst. Daher werden als Rohmaterial für diverse Werkzeuge vor allem die sogenannten Abwurfstangen bevorzugt.

Geweihstück mit Bohrung

Um eine geeignete Picke zu erhalten, wird die zähe, elastische Geweihstange zunächst mit einem Schlag- oder Geröllstein auf einer harten Unterlage gezielt zerhackt bzw. gebrochen. Durch die Entfernung der Krone und der Mittel- bzw. Eissprosse entsteht schließlich ein hackenähnliches Gerät. Beim Gebrauch splittert die Augsprosse stufenförmig aus. Wird eine Geweihacke schließlich im Laufe der Zeit unbrauchbar, wird sie weggeworfen und durch eine neue ersetzt.

Kleinere Werkzeuge wie Schlegel und Keile bestehen aus meist aus Holz, Hämmer auch aus Geweihstücken. Mit diesen Geräten wurden wie mit den Schlagsteinen und Geweihhacken die Steinschichten bearbeitet und gelockert, um die Feuersteinbrocken und -knollen herausbrechen zu können.

Ein seltenes Fundstück zeigt den Teil eines Geweihes mit einer Bohrung oberhalb der Rose. In das Loch konnte vermutlich ein hölzerner Stiel eingesetzt werden. Eine solche Geweihhacke wurde vermutlich als Grabwerkzeug beim Ausheben von Gruben etc. eingesetzt.

Weitere Grabwerkzeuge sind Spaten und Schaufeln, die aus Holz oder den Schulterblättern von Rindern, insbesondere Ochsen, gefertigt werden.

Zu diesen Werkzeugen kommen noch diverse Gefäße bzw. Behälter für den Transport der Feuersteinbrocken. Diese wurden wahrscheinlich aus Leder genäht oder aus Bast geflochten.

Das Licht in den Stollen liefern einfache Lampen, meist ausgehöhlte Kalksteinschalen mit brennbaren tierischen Fetten oder Ölen. In den Gruben von Grimes Graves sind noch immer Rußspuren an der Decke der Stollen zu sehen, die von solchen Lampen herrühren.

Eine weitere Abbaumethode, die auch für die Steinzeit nachgewiesen werden kann, war das sogenannte 'Feuersetzen'. Dabei wurde das Gestein mit Holzbränden erhitzt, die über ein oder zwei Tage brannten. Durch die Hitzeeinwirkung wurde das (oft feuchte) Gestein rissig und konnte leichter weggebrochen werden.


Fundorte in Europa

In Österreich wurde in Mauer bei Wien ein Feuerstein-Bergwerk entdeckt, in dem während der Steinzeit ca. 1500 Tonnen Feuerstein in bis zu zwölf Meter tiefen Schächten und Seitenstollen gewonnen wurden. Die daraus erzeugten Klingen und Spitzen wurden bis in die Gebiete des heutigen Kroatien und Mähren geliefert.

In Deutschland stieß man bei Arnhofen im Kreis Kelheim (Niederbayern) auf einen Silex-Untertagebau, während am Lousberg bei Aachen (Nordrhein-Westfalen) ein Bergwerk entstanden war, das als Steinbruch betrieben und wo im Tagebau die an den Hängen ausgewitterten Feuersteinplatten abgebaut wurden.

Im belgischen Spiennes wurden zunächst horizontale Stollen in die Talhänge getrieben, wo die Feuersteinlagen offen zu Tage traten. Nachdem diese Vorkommen erschöpft waren, grub man dort aber auch bis zu fünfzehn Meter tiefe Schächte (oft nur mit einem Durchmesser von 80 cm) mit Querstollen.

In Grimes Graves in Norfolk (Südostengland) fand man eine riesige Anlage, die aus ca. 400 Schächten bestand. Diese Schächte besitzen einen Durchmesser von bis zu fünf Metern und sind um die zehn Meter tief. Dieses Feuersteinbergwerk war zwischen 2500 und 2200 v. Chr. in Betrieb. Eine der Gruben ist öffentlich zugänglich und besteht aus einem 10 Meter tiefen Schacht mit sieben Querstollen (Galerien).


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