DIE GETREIDESORTEN
Die Menschen der Jungsteinzeit bauten im wesentlichen vier 'edle Gräser' an: die drei Weizensorten Einkorn, Emmer und Nacktweizen sowie Gerste. Als weitere Getreideart verbreitete sich schließlich noch Hirse.
Auch der 'Eismann' Ötzl ernährte sich von Getreide, im Darm der Gletscherleiche wurden bei Untersuchungen Reste von Einkorn und Nacktgerste entdeckt.
Wildgetreide besitzt eine sehr spröde und zerbrechliche Ährenspindel, die leicht in einzelne Ährchen und Körner zerfällt. Dies begünstigte zwar die Verbreitung des Samens, erschwerte aber naturgemäß die Ernte. Nachdem das Getreide allerdings über eine längere Zeit kultiviert wurde, entwickelten sich wesentlich stabilere Ähren. Dieses Kulturgetreide verliert deshalb bei der Ernte weniger Ähren und Körner als das Wildgetreide. Das Getreide der Jungsteinzeit erreichte aber nicht die Höhe der heutigen Halme, auch waren die Ähren und Körner kleiner.
Getreide bzw. Brot gilt durch seinen Gehalt an Stärke als wichtiger Energielieferant
für den Menschen. Stärke ist in Pflanzen gespeichertes Kohlenhydrat. Es handelt sich dabei um Polysaccharide
(Vielfachzucker), die im Körper langsam abgebaut werden und eine lange Sättigungswirkung haben. Stärke
nimmt ungefähr 50 Prozent des Gesamtgewichtes des Brotes ein und findet sich im Korn hauptsächlich im
Mehlkörper. Brotgetreide ist außerdem nach Fleisch die zweitwichtigste Quelle für Eiweiß (Proteine), aus dem der menschliche Körper ebenfalls Energie gewinnt. Der Hauptanteil des Eiweißes findet sich in den Randschichten des Getreidekorns. Pflanzliches Eiweiß ist zwar von geringerer Qualität als tierisches, bildet aber eine gute Ergänzung zu Fleisch- und Milchprodukten sowie Hülsenfrüchten. Ebenfalls in den Randschichten des Getreidekorns befinden sich Eisen für die Bildung des Blutfarbstoffes sowie Vitamine der Gruppe B. Als Lieferant von Vitamin B1, das Störungen der Nervenfunktion vorbeugt, ist Brot kaum ersetzbar. Zellwände und Gerüstsubstanzen in der Schale des Korns bilden unverdauliche Ballaststoffe, die eine anregende Wirkung auf die Darmtätigkeit ausüben. Sie wirken magenfüllend, ohne den Kaloriengehalt zu erhöhen. |
Das Einkorn (Triticum monococcum) war ursprünglich ein Wildgras mit langen, dünnen Stengeln und kleinen Ähren und Körnern, das zur Blüte eine leuchtend grüne Färbung zeigt. Einkorn ist ein anspruchsloses und genügsames Getreide, das sich sowohl im Herbst als auch im Frühjahr anbauen läßt. Das feine, aber zähe und elastische Stroh des Einkorns fand auch als Flechtmaterial Anwendung. Ausgehend vom Gebiet zwischen Euphrat und Tigris haben sich seine Kulturformen ab ca. 7600 v. Chr. über ganz Europa verbreitet, außerhalb Kleinasiens und Europas blieb es weitgehend unbekannt. Mengenmäßig verliert das Einkorn gegenüber dem Zweikorn und der Gerste aber bald an Bedeutung.
Die Ähre besteht aus Spindelgliedern mit jeweils einem Ährchen, auch Fese genannt. In diesem findet sich ein einzelnes längliches Korn, das aus einer Blüte hervorgegangen ist. Beiderseits der Ährenachse sitzt also nur ein Korn.
Ährchen/Fesen |
Das sehr weiche Korn des Einkorns besitzt eine auffällige Gelbfärbung, die durch den hohen Gehalt an Karotinoiden bedingt wird. Daraus resultiert auch das gelbliche Mehl des gemahlenen Einkorns. Dieses weiche Mehl weist allerdings eine relativ schlechte Kleberfähigkeit auf, weshalb die Herstellung von Brot nicht einfach ist. Besser geeignet ist Einkorn für Flocken oder als gekochte Getreidebeilage.
Der ertragreichere Emmer bzw. Zweikorn (Triticum diococcum) hat gegenüber dem Einkorn dickere und längere Halme, breitere Blätter und schwerere Ähren, die bei der Reife hängen. Auch vom Emmer gibt es Sommer- und Winterformen. Emmer benötigt aber bereits etwas bessere Bodenbedingungen als Einkorn oder Gerste, um gedeihen zu können. Die ältesten Funde von Emmer im Orient stammen ungefähr aus derselben Zeit wie jene des Einkorns. Emmer entwickelte sich neben der Gerste zur wichtigsten Getreidesorte der Jungsteinzeit.
Einkorn und Emmer besitzen weniger Kohlenhydrate als andere Weizensorten, dafür enthalten sie mehr hochwertiges Eiweiß, zahlreiche Mineralien und einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Sie gelten als äußerst gehaltvoll und nahrhaft sowie als sehr bekömmlich und leicht verdaulich. |
Der gemahlene Emmer ergibt ein kräftiges, griesiges Mehl, dessen Klebereigenschaften etwas besser als beim Einkorn sind, weshalb sich auch freigeschobenes Brot backen läßt. Emmer dürfte aber wie Einkorn und Gerste vor allem als Breigetreide, d.h. bei der Zubereitung von Breigerichten bzw. als Einlage in Suppen und Eintöpfen, zur Anwendung gekommen sein.
Der Nacktweizen (Triticum aestivum), u.a. der mit dem Emmer verwandte Hartweizen (Triticum durum), besitzt eine zähe Ährenspindel, die bei der Reife nicht zerbricht. Entstanden ist der Nacktweizen in Vorderasien aus verschiedenen Wildgräsern, allerdings nicht aus dem kultivierten Einkorn - beide haben aber gemeinsame 'Vorfahren'.
Eine Ähre des Nacktweizens besteht wieder aus einer größeren Anzahl von Ährchen, auf denen sich je nach Sorte zwischen 2 und 5 Körner befinden können. Weizenähren können je nach Sorte kurze oder lange Grannen besitzen. Das eiförmige, längsgefurchte Korn des Weizens kann gelblich bis rotbraun gefärbt sein.
Im Gegensatz zu Emmer und Einkorn lösen sich beim Nacktweizen die reifen Körner bereits während des Dreschens aus den Spelzen. Auf Grund seiner bestimmten Zusammensetzung von Eiweißstoffen eignet sich der Weizen besonders als Brotgetreide. Der Teig aus Weizenmehl wird elastisch, weil die Eiweiße im Wasser quellen und den sogenannten Kleber bilden. Dieser Kleber verleiht dem Teig erst die richtige Beschaffenheit.
Allerdings kann sich der Weizen während der Jungsteinzeit gegenüber dem im Anbau anspruchsloseren Emmer nicht wirklich durchsetzen.
Die Gerste (Hordeum vulgare) kommt sowohl als Spelzgerste und als spelzfreie Nacktgerste vor. Wie Einkorn, Emmer und Weizen ist auch die Gerste eine einjährige Getreideart, die ursprünglich im Fruchtbaren Halbmond beheimatet war.
Gerste enthält zahlreiche Nährstoffe, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine. |
Die Gerste besitzt rundliche, gelbe bis grau-braune Körner, die reich an wertvollen Mineralstoffen (insbesondere Kieselsäure) und Vitaminen sind. Die rauhen Spelzen sind mit der Fruchtsamenschale verwachsen. Die Ähren der Gerste sind häufig abgeflacht und besitzen sehr lange Grannen. Der Halm biegt sich zur Reifezeit durch.
Nach der Form der Ähre bzw. der Entwicklung der Ährchen in der Ähre unterscheidet man eine zwei- und mehrzeilige Gerste. Auf jeder Spindelstufe der Ähre stehen drei Ährchen, die bei mehrzeiliger Gerste alle fruchtbar sind. Zweizeilige Gerste besitzt zwar ebenfalls auf jeder Spindelstufe drei Ährchen, aber nur die mittlere Blüte ist fruchtbar und bildet ein Korn aus, während die seitlichen Ährchen verkümmert sind. Die zweizeilige Gerste hat deshalb eine flache Ähre mit der typischen Fischgrätenstruktur der Ähre. Die Ähren von mehrzeiliger Gerste wirken im Querschnitt vier- bis sechseckig.
Zum Backen von Brot ist die Gerste kaum geeignet, weshalb sie vor allem bei Breigerichten Verwendung findet. Aus Getreidekörnern, -schrot oder -mehl wird unter Zugabe von Wasser Grützbrei, teilweise auch Suppen, zubereitet.
Unter der Bezeichnung Hirse werden verschiedene Gattungen von kleinfrüchtigen Spelzgetreidearten mit Rispen zusammengefaßt. Im Gegensatz zur Ähre versteht man unter einer Rispe vielfache mit Blüten besetzte Verästelungen. Vor allem in Afrika und Asien stellen Hirsearten, die als die mineralstoffreichsten Getreide der Erde gelten, heute noch das wichtigste Nahrungsmittel.
In Europa waren Rispen- (Panicum militaceum) und Kolbenhirse (Setaria italica) seit der Steinzeit bekannt. Auch hier war die Hirse ursprünglich bis zum Spätmittelalter eine bedeutende Ernährungsquelle, wurde dann aber von ertragreicheren Getreidesorten und der aus Amerika importierten Kartoffel fast völlig verdrängt.
Die Rispenhirse besteht aus einem dicken Halm mit einer überhängenden, reich verzweigten und bis zu 25 cm langen Rispe, während die Kolbenhirse eine ährenförmige, borstige Rispe besitzt.
Hirse ist reich an Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett. |
Hirsekörner können als Beilage zu Gerichten verwendet werden, da sie sich ähnlich wie Reis zubereiten lassen. Sie benötigen aber mehr Wasser, da sie beim Kochen stark aufquellen. Aus Hirseflocken und -mehl lassen sich Suppen und Breie herstellen.