DIE STEINZEIT
UND DIE NEOLITHISCHE REVOLUTION


Das Zeitalter der Steinzeit leitet seinen Namen von jenem Rohstoff ab, der in dieser Zeit zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen bevorzugt zur Anwendung kam. Der Beginn und die Dauer der Steinzeit sowie ihre Unterteilung in einzelne Abschnitte differiert zwischen den Kontinenten. Die folgenden Zahlen und Beschreibungen beziehen sich daher in erster Linie auf Europa bzw. Mitteleuropa.




Die Altsteinzeit

Die längste Phase der Steinzeit, von 1 000 000 bis 12 000 Jahren v. Chr., bildet die Altsteinzeit bzw. das Paläolithikum.


Die Entwicklung des Menschen in der Altsteinzeit

Die erste für Europa feststellbare Menschenart ist der vor allem in Afrika ansässige Vormensch Homo erectus, der aufrechtgehende Mensch. Um 300 000 v. Chr. ging aus diesem Frühmenschen der Homo sapiens, der vernunftbegabte Mensch, hervor. Dieser frühe Menschenschlag besaß eine kräftige Knochenwulst über den Augen, eine fliehende Stirn sowie ein fliehendes Kinn.

Die Wissenschaft ist sich allerdings über die weitere Entwicklung uneinig. Eine Theorie vertritt die Auffassung, daß sich aus dem Homo sapiens der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) entwickelt. Eine zweite Theorie besagt, daß der sogenannte Neanderthaler (Homo sapiens neanderthalensis) von ihm abstammt. Einer dritten Theorie zufolge leiten sich beide Menschenarten von ihm ab.

Die Entwicklung des klassischen Neanderthalers beginnt in Europa vor 115 000 Jahren, als er den Homo sapiens ablöst. Die charakteristischen Merkmale des Neanderthalers bestehen aus dem kleinen Wuchs mit dem kräftigen bzw. stämmigen Körperbau, dem mächtigen Unterkiefer, dem vortretenden Gesicht mit der breiten Nase, den kräftigen Knochenwülsten über den Augen und der flachen Stirn.

Der anatomisch moderne Mensch tritt dann erst um 35 000 v. Chr. auf. Ob er aus dem Neanderthaler entstand oder aus Afrika einwanderte, ist eine weitere Streitfrage der Wissenschaft. Auf jeden Fall wird aber der Neanderthaler durch den modernen Menschen verdrängt, bei dem sich bis 15 000 v. Chr. die drei heutigen Großrassen - Europide, Mongolide und Negride - herauskristallisieren. Der Europide ist relativ groß, besitzt ein schmales Gesicht, eine hohe und schmale Nase sowie glattes bis lockiges Kopfhaar.

Die Lebensweise des altsteinzeitlichen Menschen

Die altsteinzeitlichen Menschen - vom Homo erectus bis zum Homo sapiens sapiens - führen ein nomadenhaftes Leben. Als zeitweilige Wohnungen dienen ihnen Höhlen, windgeschützte Unterschlüpfe (Felsvorsprünge u.ä.), Hütten aus Ästen, Zweigen (und sogar Mammutstoßzähnen) sowie Zelte aus Holzstangen und Tierhäuten.

Der Mensch der Altsteinzeit lebt ausschließlich vom Sammeln von Früchten, Kräutern, Blättern und Wurzeln und von der Jagd. Zu seinen Waffen zählen hölzerne Stoßlanzen, Wurfspeere, Speerschleudern und Wurfhölzer, mit denen er Höhlenbären, Mammuts, Fellnashörner, Wisente, Wildpferde, Rentiere, Schneehasen usw. jagt. Pfeil und Bogen beginnt der Mensch erst am Ende der Altsteinzeit einzusetzen.

In der Altsteinzeit beginnt der Mensch aber auch erstmals gezielt Waffen und Werkzeuge aus Stein zu erschaffen. Zu Beginn der Altsteinzeit vor über 1 000 000 Jahren wird als neues Steinwerkzeug der Faustkeil erfunden. Dabei wird ein Stein so zurechtgeschlagen, daß eine keilförmige Spitze entsteht, mit der man stechen, schneiden und schlagen kann. Es entwickeln sich in den folgenden Jahrhunderten neue Steinschlagtechniken, bei denen schließlich Abschläge bzw. Klingen gewonnen werden. Ab 150 000 v. Chr. versteht sich der Mensch auch darauf, Steinwerkzeuge mit Holschäften zu versehen.




Die Mittelsteinzeit

Die Altsteinzeit wird von der Mittelsteinzeit bzw. dem Mesolithikum abgelöst, die von 12 000 bis 6000 v. Chr. andauert.

Die Lebensweise des mittelsteinzeitlichen Menschen

Die Menschen der Mittelsteinzeit sind klein bis mittelgroß, d.h. ca. 1,70 m. Die Gesichter werden immer schmaler und länger.

Wie in der Altsteinzeit führt der Mensch auch in der Mittelsteinzeit ein nomadenhaftes Leben. Im Gegensatz zum altsteinzeitlichen Nomaden verweilen die Menschen aber nun meist länger an einem Ort, z.T. für mehrere Monate. Dabei errichten sie größere Hüttensiedlungen oder Zeltlager.

Die Jagd und das Sammeln von Beeren u.ä. bilden auch weiterhin die Grundlagen der Ernährung. Neben der Jagd auf Großwild wie Rothirsche, Rehe und Auerochsen nehmen die Kleintier- und Vogeljagd sowie der Fischfang immer mehr zu. In dieser Zeit wird der Wurfspeer als Hauptwaffe von Pfeil und Bogen abgelöst, auch das Fallenstellen gewinnt an Bedeutung.

Zur Herstellung von Waffen und Geräten kommen in erster Linie geschliffene Steine, Feuerstein, Knochen und Geweih zur Anwendung. Neben Speer- und Pfeilspitzen (aus Feuerstein und Knochen) sowie Hacken und Pickel (aus Geweih und Knochen) werden vor allem geschäftete Feuersteinbeile hergestellt, eine der wichtigsten 'Erfindungen' der Mittelsteinzeit.




Die Jungsteinzeit

Die darauffolgende Jungsteinzeit bzw. das Neolithikum reicht in Europa von ca. 6000 v. Chr. bis 2200 v. Chr., dem Beginn der Bronzezeit. Das Neolithikum selbst wird in vier Zeiträume eingeteilt: Alt-, Mittel-, Jung- und Endneolithikum. Häufig wird für die Spätphase der Jungsteinzeit zw. 3500 und 2300/2200 v. Chr. (Mitte des Jungneolithikums bis zum Ende des Endneolithikums) auch der Begriff Kupferzeit gewählt, da in diesem Zeitraum dieses Metall entdeckt und verarbeitet wird.


Die neolithische Revolution

Die kulturelle Entwicklungsgeschichte des Menschen erlebt in der Epoche der Jungsteinzeit ihre entscheidenden Impulse. Die nomadenhafte Lebensweise der Jäger und Sammler wird durch ein produzierendes und seßhaftes Bauerntum abgelöst. Es entwickeln sich daraus Lebensgewohnheiten, die neue soziale Strukturen zur Folge haben. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist der Vordere Orient, wo bereits 8000 v. Chr. - begünstigt durch die idealen klimatischen Bedingungen - der eigentliche Umbruch beginnt. Über Südosteuropa, den Balkan und den Mittelmeergebieten breiten sich dann die ökonomischen und kulturellen Änderungen in den nächsten Jahrtausenden bis nach Mitteleuropa aus.

Die wesentlichen Kennzeichen dieser sogenannten "neolithischen Revolution" sind Seßhaftigkeit, Ackerbau, Viehzucht, Keramikproduktion, Kupferverarbeitung und Tauschhandel.

Die Kultivierung von wilden Pflanzenarten und die Zähmung von Wildtieren binden den Menschen an bestimmte Orte. Dadurch entwickeln sich größere und geschlossenere, z.T. auch befestigte Siedlungen mit stabilen Hausanlagen, die die leichten Wohneinrichtungen der Jäger und Sammler ablösen. In sumpfigen Gebieten werden sogar Holzbohlenwege angelegt.

Das Land wird gerodet, im Jahresrhythmus werden auf den Feldern und Äckern Hülsenfrüchten und Getreide angebaut und geerntet. Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine werden gezüchtet, Jungwölfe als Haustiere gehalten. Die Haustierhaltung und -zucht sorgt für den Fleischvorrat, die Jagd verliert zunehmend an Bedeutung. In diese Zeit fällt die Erfindung des Pfluges, Rind bzw. Pferd werden als Zugtiere verwendet. Auch erste schwerfällige zwei- und vierrädrige hölzerne Karren mit Scheibenrädern kommen auf.

Ton bzw. Keramik wird als neuer Werkstoff entdeckt, das Töpferhandwerk entsteht und feuerfeste Tongefäße dienen zur Aufbewahrung von Vorräten. Neben Korbflechtern, Holzschnitzern und Steinmetzen entstehen aber auch noch weitere Handwerksberufe wie Bergwerksarbeiter und Kupfergießer.

Dieses organisierte und arbeitsteilig gestaltete Wirtschaftsleben führt schließlich zum Tauschhandel mit verschiedenen Gütern über weite Strecken. Beliebtes Tauschgut ist hauptsächlich der Feuerstein, sowohl als Rohstoff als auch Werkzeuge und Waffen aus diesem Material. Außerdem wird mit Kupfergeräten sowie mit Schmuck aus Kupfer und Gold, Schmuckschnecken und Bernstein gehandelt.


Die Jungsteinzeit in Mitteleuropa

In den Flachland- und Hügelgebieten Mitteleuropas beginnt diese Entwicklung mit der Landnahme im Altneolithikum um 6000 v. Chr.

Während des Mittelneolithikum um 5000 v. Chr. rückt der Mensch mit seinen Siedlungen schließlich bis an den Rand der Alpen vor. Im Westen wird das Schweizer Mittelland besiedelt, im Nordosten der Salzburger Raum und im Süden die klimatisch günstigen Täler Südtirols.

Im Jungneolithikum um 4000 v. Chr. kommt es zur eigentlichen Erschließung der Alpen. Während in den Tallandschaften Rodungen stattfinden und Siedlungen angelegt werden, kommt es auf der Suche nach Erzlagerstätten zu ersten Vorstößen bis ins Hochgebirge. Der Mensch paßt sich in Lebens- und Wirtschaftsweise den Gegebenheiten in den Bergen an, es entstehen die verschiedenen Kulturen der Jungsteinzeit im Alpengebiet. Die Siedlungsgebiete in den Alpen sind das Inntal in Nordtirol und das Etschtal in Südtirol. Der Alpenhauptkamm zwischen Nord- und Südtirol wird in dieser Zeit allerdings noch nicht überschritten.

Die kulturelle Überquerung des Alpenhauptkammes geschieht vermutlich erst im Laufe des Endneolithikum um 3000 v. Chr., da seit dieser Zeit immer wieder ähnliche kulturelle Spuren nördlich und südlich der Trennlinie zu finden sind.

Der Zeitraum von 3350 bis 3100 v. Chr. - das Ende des Jungneolithikums, eventuell auch schon der Beginn des Endneolithikums - ist die Zeit von Ötzl, dem Held dieser Seiten. Und seinen Lebensraum bilden die Berge und Täler Nord- und Südtirols, die unter dem Einfluß der verschiedenen steinzeitlichen Kulturen des Alpenraumes stehen.


© 2003 PIRG