DAS GERBEN VON HÄUTEN


Da die rohen Tierhäute rasch zu stinken und zu faulen beginnen, müssen sie erst durch Gerben haltbar und geschmeidig gemacht werden.

Die Verarbeitung von Tierhäuten zu Leder mit Hilfe von Gerbstoffen ist den Menschen schon aus der Altsteinzeit bekannt. Zur Anwendung kamen in der Jungsteinzeit die Fettgerbung und die Rauchgerbung über dem Feuer, vermutlich auch die mineralische Gerbung mit Alaun (Weißgerbung).

Die bräunliche Lohgerbung - d.h. das Gerben mit pflanzlichen Mitteln, u.a. mit der Rinde von Eiche und Buche - ist erst seit der Bronzezeit bekannt und erreichte ihren Höhepunkt im Mittelalter. Die sogenannte Hirngerbung, bei der das Hirn des Tieres als Fettungsmittel benutzt wurde, kam nur bei den Indianern Nordamerikas zur Anwendung.

Ötzls Kleidungsstücke bestehen hauptsächlich aus Fellen, wobei aber die Haare inzwischen großteils ausgefallen sind. Die Fleischseiten der Felle weisen Schabspuren auf, die beim Reinigen der Häute entstanden sind. Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß Rauch- und Fettgerbung zur Anwendung kam. Vermutlich wurden die Felle zunächst geräuchert und anschließend mit Fett eingerieben.

Die Fettgerbung, genauer gesagt die Herstellung von Fettgarleder, war lange Zeit die verbreitetste Gerbmethode. Dabei wurden Fettstoffe wie Schmalz, Talg, Dotter u.ä. in die Haut des Tieres gerieben. Die Haut wird dabei aber nur mit dem Fett impr, das sich wieder vollkommen auswaschen lässt.

Als erster Schritt der Gerbung müssen nach dem Abhäuten die an der Innenseite der Haut klebenden Gewebefragmente und das mit Blut vermischte Fett entfernt werden. Diesen Vorgang nennt man "Entfleischen". Dazu wird die Haut mit der behaarten Seite nach unten auf dem Boden ausgebreitet und mit spitzen Holzpflöcken so weit wie möglich auseinandergespannt. Eine bereits getrocknete Haut wird dafür wieder eigens aufgeweicht.

Die Fleischseite wird nun mit Hilfe eines Schabers bearbeitet. Mit hackenden, stoßartigen Bewegungen wird sie von den Fett- und Geweberesten gereinigt, bis die Haut eine glatte und ebene Oberfläche besitzt.

Dieser Schaber kann aus Knochen oder Stein gefertigt sein. Ein Knochenschaber wird aus einem langen Knochen gefertigt, der der Länge nach gespalten und an einem Ende in einem Winkel von 60° abgeschrägt wird. Ein Flintschaber besteht aus einem Feuerstein mit leicht gerundeter beilähnlicher Schneide, der an einem Holzstiel befestigt ist.

Sollen die Haare auf der Außenseite ebenfalls entfernt werden, empfiehlt es sich, das Fell für ein oder zwei Tage in Wasser oder Urin einzuweichen, damit die Haare leichter ausfallen. Anschließend spannt man das Fell in einen aufrechtstehenden Holzrahmen und beginnt mit dem Schaber die Haare abzukratzen. Am besten schabt man in jene Richtung, in die die Haare wachsen, d.h. vom Nacken zum Schwanz.

Nun muß die Haut weichgegerbt werden. Zu diesem Zweck werden die Fettungsmittel, z.T. mit Wasser, zu einem Brei vermischt. Diese Lösung wird nun mit den Händen oder einem runden flachen Stein in die Haut eingerieben. Danach läßt man die Haut an einem kühlen Ort trocknen, damit die Lösung gut einwirken kann. Dieser Vorgang kann bis zu drei Mal wiederholt werden.

Da das Fell bzw. die Lederhaut beim abschließenden Trocknen hart und steif wird, sollte es währenddessen mehrmals mit der Fleischseite über ein straff gespanntes Seil gezogen werden, damit es geschmeidig bleibt. Diese Art des Bearbeitens nennt man "Stollen".

Das auf diese Weise gewonnene Leder ist allerdings noch nicht wasserfest. Das heißt, wenn es bei schlechtem Wetter naß werden sollte, wird es beim Trocknen starr und muß erst wieder durch langwieriges Bearbeiten weich gemacht werden. Wird das Leder aber geräuchert, ist es wasserfest (nicht wasserdicht!) und bleibt beim Trocknen weich und geschmeidig.

Außerdem wehrt der Rauchgeruch, der lange Zeit am Leder bzw. Fell haften bleibt, Ungeziefer wie Mücken und Motten ab.

Für diese Rauchgerbung wird ein kleines Räucherhaus angefertigt. Zunächst hebt man eine kreisförmige, ca. 30 cm tiefe Grube aus, über die ein Gerüst aus gebogenen Weidenstecken errichtet wird. In diese Grube gibt man von einem nahegelegenen Feuer Kohlestücke und stark rauchende Materialien (verfaultes Holz etc.). Das Feuer darf nur niedrig brennen, damit die Flammen die Häute und Felle, in in zwei Lagen über das Gerüst gehängt werden, nicht erreichen. Werden die obersten Häute heiß, sollten die unteren überprüft werden. Haben sie eine dunklere Farbe angenommen, sind sie fertig geräuchert.

Nach dem Räuchern empfiehlt es sich, das Leder in kaltem Wasser zu waschen, um den Rauchgeruch so gut wie möglich los zu werden.

Die Rauchgerbung konnte auch vor der Fettgerbung angewendet werden.

In der Steinzeit war wahrscheinlich auch schon die Weißgerbung bekannt. Hierbei erfolgt die Gerbung von Häuten und Fellen mit Hilfe von Alaun (Kaliumaluminiumsulfat-Hexahydrat). Allerdings ist weißgegerbtes Leder nicht wasserfest.


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