DIE BIRKENRINDENGEFÄSSE


In Ötzls Ausrüstung befanden sich zwei aus Birkenrinde gefertigte Gefäße, die ihm für die Aufnahme verschiedenster Dinge dienten. Ein Birkenrindengefäß ist leichter und einfacher zu transportieren als z.B. ein schwerer, zerbrechlicher Krug aus Ton.

Das erste dieser beiden Gefäße wurde unmittelbar neben der Gletschermumie aufgefunden. Dieses Gefäß war zunächst noch unbeschädigt gewesen, wurde aber auf Grund von Unachtsamtkeiten während der Bergung zertreten. Dieses Gefäß konnte nur mehr unvollständig rekonstruiert werden, allerdings war hier das Nähmaterial erhalten geblieben.

Vom zweiten, bereits zerstörten Gefäß fand man einzelne Fragmente und den Bodenteil in der Nähe der ebenfalls kaputten Rückentrage. Vermutlich war dieses zweite Gefäß am Tragestell befestigt gewesen. Die Form des Gefäßes konnte recht gut rekonstruiert werden, auch wenn das Nähmaterial nicht mehr vorhanden war.

Beide Gefäße besitzen die Form eines Zylinders und sind ca. 20 cm hoh. Der eher ovale Durchmesser beträgt beim ersten Gefäß 10 bis 15 cm, beim zweiten 15 bis 18 cm. Ob die Gefäße über einen Deckel verfügten, läßt sich anhand der Fundstücke nicht sagen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Die Gefäße bestehen aus zwei Teilen. Die ca. 20 cm hohe Röhre wird aus einem einzigen frischen rechteckigen Rindenstück gefertigt. An den beiden Längsseiten und der Unterkante wird das Rindenstück für die Naht gelocht. Danach rollt man das Rindenstück zusammen, wobei sich die Schmalseiten etwas überlappen, und vernäht es mit dünnen Baststreifen.

Den Boden bildet ein weiteres, etwas oval zugeschnittenes Rindenstück. Der Rand dieses Bodenstückes wird ebenfalls gelocht und dann mit der Röhre vernäht.

Weitere, einander gegenüberliegende Löcher in der Röhre weisen darauf hin, daß das Gefäß mit einem Henkel, vermutlich aus Bastschnur gefertigt, versehen war.

Die Innenseite des ersten Gefäßes war durch die Einwirkung von Asche und Ruß schwarz verfärbt. Dies legt die Vermutung nahe, daß das Gefäß als sogenannter 'Glutbehälter' benutzt wurde. Dafür spricht weiters, daß auch die Blätter des Spitzahorns, die sich in diesem Behälter befanden, Holzkohlepartikel bis zu einer Größe von 5 mm aufwiesen.

Brach Ötzl sein Lager ab, konnte er Glut von seinem Feuer in frische Blätter als Isoliermaterial einwickeln und in seinem Birkenrindengefäß mit sich führen. Dadurch ersparte er sich bei seiner nächsten Rast die Arbeit des Feuermachens. Eine genaue Untersuchung der Holzkohleteilchen ergab, daß sie von sechs verschiedenen Baumsorten stammten, die in unterschiedlichen Höhenlagen vorkommen; z.B. wächst die Ulme im Talgrund, während die Netzweide erst über der Waldgrenze zu finden ist. Auf diese Weise kann der etappenweise Aufstieg Ötzls von Lagerplatz zu Lagerplatz nachvollzogen werden.

Im Gegensatz zum ersten Gefäß besitzt die Innenseite des zweiten Gefäßes noch seine natürliche gelblich-weiße Farbe. Das Gefäß könnte Ötzl zum Transport von Proviant gedient haben.


© 2003 PIRG