Felix & Co. |
Am Montag, dem 9. August, wird im DeutschlandRadio Berlin ein neues Hörspiel von mir uraufgeführt. Es heißt "Die Schule der Glücksritter oder: Arsène Lupin trifft Al Capone". Der Gentleman-Gauner Arsène Lupin ist eine meiner literarischen Lieblingsfiguren. Bekanntlich spielt er eine wichtige Rolle in "Professor van Dusen rettet die Venus von Milo". Im neuen Hörspiel hat er sogar die Hauptrolle. In der letzten Geschichte, die Maurice Leblanc, der Schöpfer von Lupin, über seinen Helden schrieb, brachte er ihn im Jahre 1926 nach New York, wo er es wieder einmal mit seinem Erzfeind, Inspektor Ganimard, zu tun bekam. Hier verließ Leblanc Lupin für immer – und hier setze ich an, um die Lupin-Saga ein kleines Stück weiter zu spinnen. Was ich wollte, war nicht Imitation und auch nicht Parodie, sondern ein bei allem Respekt vor Leblanc und seiner Schöpfung eigenständiges, ironisch geprägtes Spiel mit einem literarischen Mythos. So weit, so gut. Dennoch habe ich mit der "Schule der Glücksritter" meine Probleme. Das liegt nicht an meinem Manuskript, auch nicht an der Produktion, die ich für sehr gelungen halte, das liegt an COCKTAIL FÜR ZWEI. "Die Schule der Glücksritter" gehört gewissermaßen zur Konkursmasse von COCKTAIL. Ich hätte es bedauerlich gefunden, wenn die Story im Papierkorb gelandet wäre. Darum habe ich sie umgeschrieben, mit neuen Helden versehen, zeitlich versetzt – und so ist aus dem geplanten neunten COCKTAIL-Hörspiel "Chicago Flip" das Einzelhörspiel "Die Schule der Glücksritter" geworden. So ähnlich habe ich es vor vielen Jahren mit dem Van-Dusen-Hörspiel "Zwei Leichen im Orient-Express" gemacht – und mir geht es heute wie damals: Ich bin mit den Resultaten nicht recht zufrieden. Ich kann nicht zufrieden sein. Sicher, Sherlock Holmes und Dr. Watson im "Orient-Express" und Arsène Lupin und Elaine in der "Schule der Glücksritter" schlagen sich wacker. Aber für mich sind sie nur zweite Wahl. Sie müssen Professor van Dusen und Hutchinson Hatch bzw. Felix und Cora ersetzen. Und das stimmt mich traurig. COCKTAIL FÜR ZWEI ist immer noch ein wunder Punkt. Als van Dusen seine Laufbahn beenden musste, war er als Reihenheld alt. Naürlich hätte er noch den einen oder anderen Fall mit gewohnter Bravour aufklären können. Aber sein erzwungener Abgang war für mich (wenn auch womöglich nicht für seine Fans) leichter zu ertragen als das Ende von COCKTAIL. Denn COCKTAIL war als Reihe jung, quasi ein Kind, das eben, nach einigen Schwierigkeiten, sprechen und laufen gelernt hatte. Umso größer die Trauer des hinterbliebenen Vaters über den plötzlichen, unerwarteten Tod des Sprösslings. Ich hatte viel vor mit COCKTAIL. In meiner letzten Krimi-Reihe wollte ich noch einmal zeigen, was ich kann. Ich wollte, wie um van Dusen und um Jonas, eine Welt konstruieren, die in sich geschlossen und eigentümlich war, die auf einem Mythos basierte und dennoch den Hörern im Hier und Jetzt etwas zu sagen hatte. Dieses Mal hatte ich ganz bewusst eine Reihe von Anfang an als Reihe geplant. Ausgangspunkt war mein Interesse an den Zwanziger Jahren – und das wiederum ging weniger auf die historischen Fakten zurück als auf das von mir höchlichst bewunderte Werk eines heute so gut wie vergessenen Kollegen. Der Schwede Frank Heller (der eigentlich Gunnar Serner hieß, aber nicht verwandt war mit Walter Serner, der in der COCKTAIL-Folge "Tango Berlin" in wichtiger Funktion auftritt) schrieb zwischen 1914 und 1947, dem Jahr seines Todes, eine Reihe brillanter Kriminalromane, die in viele Sprachen übersetzt wurden; in Deutschland erschienen sie beim renommierten Verlag Georg Müller in München. Für mich besonders eindrucksvoll waren Hellers Bücher aus seinen frühen Jahren, die Gaunergeschichten um den Glücksritter und Hochstapler Philip Collin, eine Figur, die ohne Frage von Arsène Lupin beeinflusst war, sich aber doch sehr vom Vorbild unterscheidet. Wenn Lupin den Geist der französischen Belle Epoque und der Zeit vor dem 1. Weltkrieg verkörpert, dann steht Philip Collin, trotz seiner etwas früheren Anfänge, für das internationale Lebensgefühl der Nachkriegszeit, der Zwanziger Jahre. Zurück zu COCKTAIL. Der Start der Reihe war nicht ganz leicht. Es war ein für mich völlig neues Reihenkonzept, ich musste mich sozusagen einschreiben, meinen Stil, meinen dramaturgischen Rhythmus finden. Dazu kam, dass ich mit der Produktion der ersten Staffel von vier Hörspielen nicht zufrieden sein konnte. Der Ton war mir zu schwergewichtig, das Tempo zu langsam – vor allem bei der Erzählerin. Doch das änderte sich zum Glück schon in der zweiten Staffel – und die dritte wäre mit Sicherheit noch besser geworden. Schon, weil ich ins Auge fasste, die Erzählerin zu streichen und ihre Texte, in anderer Formulierung natürlich, meinen beiden Helden zu geben. Auch dadurch wäre ein gewisses Manko der ersten Hörspiele beseitigt worden, nämlich die zu große Distanz der Hörer zu Felix und Cora, die Tatsache, dass man zu wenig von dem erfuhr, was in und zwischen ihnen vorging, wodurch eine Hörer-Identifikation mit beiden erschwert wurde. Das war nicht alles, was ich ab Folge 9 vorhatte. Die amerikanischen Abenteuer von Felix und Cora waren schon, zum Teil mit vielen Details, konzipiert. In Chicago, in Hollywood, in den Rocky Mountains und in New York sollten sie sich abspielen, danach, in Folge 13, würden meine beiden Gauner in die alte Welt zurückkehren, um u.a. Wien, Budapest, Rom, noch einmal Berlin, Ägypten, Kenia und Shanghai unsicher zu machen. Auch der Abschluss der Reihe war bereits fest eingeplant. Im letzten Hörspiel wollte ich bis vor den Anfang zurückgehen, zum 1. Weltkrieg, und berichten, wie Felix und Cora sich kennenlernten und wie sie ihren ersten gemeinsamen Coup durchführten. Die Recherchen dafür sind abgeschlossen, die Story liegt als mehrseitiges Exposé in meinem Schreibtisch. Und da wird sie nun wohl für immer liegen bleiben, wie die Abenteuer, die Felix und Cora nach ihrer denkwürdigen Überfahrt nach Amerika erlebten. Es gab da eine Hörspiel-Chefin im DeutschlandRadio, die schon die Van-Dusen-Hörspiele als akustische Groschenromane abwertete und ihren Etat lieber für hochwertige Literatur (oder was sie dafür hielt) ausgeben wollte. Darum ging es Felix und Cora an den Kragen, darum musste mein COCKTAIL FÜR ZWEI nach den ersten kleinen Schlucken für immer weggeschüttet werden. Ganz besonders verstimmt und mitgenommen hat mich ein Argument, mit dem der Sender mir gegenüber die Einstellung von COCKTAIL FÜR ZWEI begründet hat: dass nämlich die Reihe bei den Hörern nicht gut angekommen sei, siehe diverse negative Äußerungen im Internet. Die gab es tatsächlich. Noch heute nehme ich es so manchem Van-Dusen-Fan übel, dass er seinen Ärger über das Ende seiner Lieblingsreihe am Nachfolger ausgelassen hat, dass er van Dusen, nur van Dusen und nichts als van Dusen wollte und grundsätzlich und von vornherein nicht bereit war, Neuem und Anderem eine Chance zu geben. So hat er denen, die Kriminalhörspiel-Reihen als solche und meine Spielart intelligenter Radio-Unterhaltung total ablehnen und möglichst aus dem Programm verbannen wollen, einen willkommenen Vorwand geliefert. Wie auch immer – COCKTAIL FÜR ZWEI wurde jäh eingestellt. Dadurch wurde mir die Möglichkeit genommen, meine langjährige Rundfunkarbeit auf angemessene Weise zu beenden und mich mit einer letzten gelungenen längeren Reihe zu verabschieden. Viele interessante, witzige, verblüffende Abenteuer von Felix und Cora werden nun nicht mehr geschrieben, inszeniert, gehört werden. Das ist ein großer Verlust nicht nur für den Autor, sondern auch – davon bin ich überzeugt – für die Hörer. Michael Koser, Juli 2004 |