Der
amerikanische Schriftsteller Jacques Futrelle wird am 9. April 1875
in Pike County, Georgia, als John Heath Futrell geboren. Seine
Eltern sind Wiley Harmon Heath Futrell, der als Lehrer in Atlanta tätig
ist, und Linnie Bevil Futrell.
Als Autor wird er später seinen Namen in die französisch
klingende Form umwandeln und sich als Nachkomme hugenottischer Einwanderer
aus Frankreich bezeichnen. Tatsächlich waren seine Vorfahren in
England beheimatet gewesen, von wo aus sie im Laufe des 17. Jahrhunderts
in die amerikanischen Kolonien auswanderten.
Noch während seiner Schulzeit arbeitet Jacques Futrelle
nebenbei als Lehrling in einer kleinen Druckerei, wo er die Grundlagen
des Druckergewerbes und auch der Zeitungsbranche kennenlernt.
Im Alter von achtzehn Jahren erhält er 1893 eine erste
feste Anstellung als Stenographist bei H. H. Cobaniss, dem Geschäftsführer
des Atlanta Journal. Als sich ihm die Chance bietet, einen
Artikel für die Zeitung verfassen zu können, greift er, ermutigt
durch seinen Chef, zu. Diese Artikel erregt die Aufmerksamkeit von Hokum
Smith, dem damaligen Präsidenten der Zeitung (und späteren
Governeur von Georgia), der ihn in seinen Reporterstab aufnimmt.
Der Journalist
Ein Jahr später nimmt er das Angebot von Edwin A. Grozier,
dem Herausgeber der Boston Post, an, für dessen Blatt
zu arbeiten. Nachdem die anfängliche Begeisterung über die
Arbeit in einer größeren Stadt mit ihrem kulturellen Flair
verflogen ist, macht sich bei dem Neunzehnjährigen allerdings Heimweh
nach seinen Eltern, Freunden und vor allem nach seiner um ein Jahr jüngeren
Freundin – Lilly May Peel ist am 26. Mai 1876 geboren – bemerkbar.
Aus diesem Grund kehrt Jacques Futrelle nach ein paar Monaten
von Boston nach Atlanta zurück, wo er wieder vom Atlanta Journal
aufgenommen und mit der Aufgabe betraut wird, die Sportredaktion der
Zeitung aufzubauen. Nachdem er diese Aufgabe erfolgreich bewältigt
hat, bietet ihm Hokum Smith die Möglichkeit, nach New York zum
New York Herald zu wechseln. Als "telegraph editor"
soll er dort für die eintreffenden Eilmeldungen ("Kabel")
der Associated Press zuständig sein.
Bevor er akzeptiert, hält Jacques Futrelle um die Hand
seiner Freundin an. Am 17. Juli 1895 heiraten Jacques
Futrelle und Lillie May Peel in der Wohnung ihrer Eltern im engsten
Familien- und Freundeskreis. Bereits kurz nach der
Hochzeit übersiedelt das Paar in die drei Millionen
Einwohner zählende Weltstadt New York. Dort nehmen sie sich eine
Wohnung am 71 Irving Place, Gramercy Park, einer Gegend, in der zahlreiche
Künstler leben, u.a. Schauspieler, Musiker und auch Schriftsteller
wie Edith Wharton und O. Henry. Am 8. November 1897
wird Tochter Virginia geboren, am 20. November 1898 folgt ein Sohn,
der nach seinem Vater John genannt wird, später seinen Namen aber
in Jacques Jr. ändert.
Im Frühjahr 1898 bricht der spanisch-amerikanische Krieg
aus, der bis Juli andauert – Jacques Futrelle ist während dieser
Monate beim New York Herald praktisch Tag und Nacht im Einsatz.
Diese Überbelastung wirkt sich nachteilig auf die Gesundheit des
Journalisten aus, dem schließlich ein körperlicher Zusammenbruch
droht. Seine Schwester Alberta, verheiratete Copeland,
bietet ihm und May ihr Sommerhäuschen in dem kleinen Küstenort
Scituate in Massachusetts zur Erholung an.
Man beschließt, die Kinder nach Atlanta in die Obhut
von May's Mutter Molly zu geben, während man sich selbst im Frühjahr
1899 nach Scituate zurückzieht. Während der
erholsamen Monate in Scituate beschäftigt sich Jacques Futrelle
intensiv mit Detektivgeschichten, studiert Arthur Conan Doyle's "Sherlock
Holmes" und Edgar Allan Poe's "Auguste Dupin" und
liest die Autobiographie von Eugène Vidocq, dem ehemaligen Dieb
und Gründer der französischen Polizeibehörde Sureté.
Er beginnt eigene Ideen für Kriminalgeschichten zu entwickeln und
hält sie in zahlreichen Notizbüchern fest.
In New York bezieht Jacques Futrelle mit seiner Familie und
den Schwiegereltern eine neue Wohnung in der 103rd Street. Schließlich
entscheidet er sich, das Zeitungsgeschäft zu verlassen. Als sich
die finanziellen Mittel der Futrelles erschöpfen, nimmt er 1902
das Angebot eines New Yorker Freundes an, ein Theater in Richmond, Virginia,
zu leiten. Er wirkt dort aber nicht nur als Direktor, er schreibt auch
Stücke, führt Regie und steht sogar selbst auf der Bühne.
Es handelt sich bei seinen eigenen Stücken hauptsächlich um
Komödien-Einakter wie "Us Georgia Folk", "What's
in a Name" oder "The Man from Japan".
Nach Ablauf des Zwei-Jahres-Vertrages beschließt die
Familie, wieder nach New England zurückkehren zu wollen. Als man
die Weihnachtsfeiertage 1903 bei den Schwiegereltern in Atlanta verbringt,
erfährt Jacques Futrelle von Charles Copeland, seinem Schwager,
dass der Zeitungszar William Randolph Hearst eine Tageszeitung in Boston
übernimmt und neue Mitarbeiter sucht. Jacques Futrelle bewirbt
sich und wird aufgrund seiner Erfahrung Anfang 1904 in den Redaktionsstab
des Boston American aufgenommen. Die Familie lässt sich
in Cambridge, knapp außerhalb von Boston gelegen, nieder.
Der Schriftsteller
Neben seiner Tätigkeit als Journalist schreibt Jacques
Futrelle in seiner Freizeit zunehmend eigene Sachen. Im Herbst 1905
veröffentlicht der Boston American in Fortsetzungen eine
von ihm verfasste Sherlock Holmes-Pastiche, in der er einen aktuellen
Kriminalfall einarbeitet und angeblich die tatsächliche Lösung
vorwegnimmt. Kurz darauf werden in der Zeitung über mehrere Monate
hinweg seine ersten Detektivgeschichten um Professor van Dusen, genannt
"The Thinking Machine", veröffentlicht.
Der Erfolg dieser Serie veranlasst Jacques Futrelle schließlich,
1906 der Zeitungsbranche endgültig den Rücken zu kehren und
sich ausschließlich seiner schriftstellerischen Tätigkeit
zu widmen. Er arbeitet jetzt in erster Linie für Wochenzeitschriften
wie das Sunday Magazine oder die Saturday Evening Post,
die in den nächsten Jahren die weiteren Kurzgeschichten um den
genialen Professor sowie mehrere Romane vorabdrucken. Ende 1906 erscheint
Jacques Futrelle erstmals in Buchform, ab 1907 werden seine Werke in
England herausgegeben. Seine Romane werden aber immer im Schatten seiner
erfolgreicheren Krimierzählungen um die Denkmaschine stehen.
May Futrelle betätigt sich inzwischen ebenfalls als Schriftstellerin
und schreibt Romanzen und Kriminalgeschichten. Neben Kurzgeschichten,
die in verschiedenen Zeitschriften erscheinen, wird 1911 auch ein Roman
aus ihrer Feder veröffentlicht werden.
Jacques und May Futrelle können sich jetzt ihren Traum
von einem eigenen Haus erfüllen. In Scituate erwerben sie 1908
ein Grundstück, auf dem sie ein Haus mit einem Studio errichten.
Das auf einer Klippe gelegene Haus, dem sie den Namen "Stepping
Stones" geben, überblickt im Osten das Meer, im Westen den
Hafen. Ort und Haus verwendet Jacques Futrelle auch als Schauplatz in
seinem letzten Roman. Das Haus wird zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen
Lebens, Jacques Futrelle und seine Frau geben zahlreiche Parties und
versammeln hier ihre Schriftstellerkollegen um sich.
Besonders
stolz ist Jacques Futrelle auf sein Motorboot, die
"Dolly Varden", mit der er Gäste und Freunde zum Fischen
ausfährt. Er kann auch von sich sagen, der erste
Einwohner von Scituate zu sein, der ein Automobil – einen Pierce Arrow
– sein eigen nennt.
Im Jänner 1912 unternimmt Jacques Futrelle wieder einmal
mit seiner Frau May – die Kinder bleiben bei den Großeltern zurück
– eine Europareise, um Kontakte zu europäischen Verlagen zu pflegen.
Nach Aufenthalten in Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich
besuchen sie England.
Das Paar tritt seine Rückreise in die Vereinigten Staaten
am Tag nach Futrelle's 37. Geburtstag, der noch in London mit Freunden
gefeiert wird, mit der R.M.S. Titanic an. Es ist die Jungfernfahrt dieses
Schiffes, das in der Nacht vom 14. auf den 15. April einen Eisberg rammt
und im Atlantik untergeht. Während seine Frau überlebt, zählt
Jacques Futrelle zu den über 1500 Opfern dieser tragischen Schiffskatastrophe.
Nach dem Tod ihres Mannes setzt sich May Futrelle intensiv
für eine Ausdehnung des Urheberschutzes ein. Als Geste der Anerkennung
für ihren Einsatz erhält sie die Füllfeder überreicht,
mit der Präsident Franklin D. Roosevelt 1940 das entsprechende
Gesetz – 1940 Federal Publication Copyright Act – unterzeichnet. May
Futrelle stirbt am 29. Oktober 1967 im Alter von 91 Jahren in Scituate,
Massachusetts, an einer Lungenentzündung.
Quellen:
Freddie Seymour / Bettina Kyper, The Thinking Machine: Jacques Futrelle,
Dennisport/Massachusetts 1995
Yahoo-Group 'Jacques Futrelle' (http://groups.yahoo.com/group/jacquesfutrelle)