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Ein unvollendeter Van-Dusen-Fall
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Professor van Dusen im Spukhaus

Wann genau ich mich mit "Professor van Dusen im Spukhaus" beschäftigt habe, weiß ich nicht mehr. Vermutlich war es in den späten Achtzigern, vielleicht auch um 1990.

Ich ging vor wie immer. Zuerst die Recherche. Historischer Hintergrund sollte die Einwanderungspolitik der USA um 1900 sein. Darüber informierte ich mich, machte Notizen, dachte nach – und als mit dem faktischen Hintergrund auch die Details des fiktiven Plots immer präziser wurden, forschte ich über Mord- und Spukmethoden, die sich hier verwenden ließen.

Schließlich machte ich mir Gedanken zur genauen Zeit, in der die Geschichte spielen sollte, zum Ort, zu den Personen, ihren Funktionen, ihren Namen ...

Ja, und dann war die Geschichte fertig: Anfang, Ende und (was immer am schwersten ist) das, was dazwischen passiert. Ich schrieb, wie immer, ein mehrseitiges Exposé, brütete, wie immer, ein paar Tage darüber, quälte mich, wie immer, mit den ersten Sätzen herum, machte Entwürfe, die sehr schnell im Papierkorb landeten, wie immer – bis ich endlich die richtigen Worte fand und mit dem Schreiben starten konnte.

Soweit alles wie gewohnt. Aber schon nach wenigen Seiten kam ich – und das war nicht wie immer – ins Stocken. Irgendwas lief nicht. Was es war, wurde mir bald klar: Die Story war zu lang für ein Hörspiel von 55 Minuten. Ich hatte, wie ich es gern tue, weit ausgeholt, die Vorgeschichte uferte aus, van Dusens Detektiv-Tätigkeit (Pardon: Amateurkriminologen-Tätigkeit) setzte spät ein, vielleicht zu spät.

Sollte ich, wie einige Zeit später aus dem "Fall Zola", aus dem "Spukhaus" einen Zweiteiler machen? Das war nicht unproblematisch. Der Sender mochte Zweiteiler nicht. Beim "Fall Zola" konnte ich mich durchsetzen, weil ich beharrlich blieb und schließlich die Redakteurin überzeugte – und ich blieb beharrlich, weil ich selbst von der Geschichte voll und ganz überzeugt war.

Beim "Spukhaus" war ich das offenbar nicht, und darum entschloß ich mich, die Arbeit vorerst aufzugeben und alles, was ich bisher zusammengetragen und geschrieben hatte, in der Mappe der unerledigten Fälle zu deponieren.

In dieser Mappe waren zur einen oder anderen Zeit schon einige Van-Dusen-Fälle abgelegt worden, "Professor van Dusen sieht doppelt" zum Beispiel oder "Professor van Dusen trifft Kaiser Wilhelm". Bei letzterem war ich nicht weitergekommen, weil ich die Geschichte ursprünglich in Marokko spielen lassen und um den Besuch des Kaisers in Tanger 1905 entwickeln wollte. Als ich sie mir Jahre später wieder vornahm, wechselte ich Ort und Zeit – und siehe da, alles lief jetzt wunderbar.

Ähnlich war es auch mit den wenigen anderen Fällen der Denkmaschine, die mir zunächst schwere Probleme machten – mit einer Ausnahme: der Spukhaus-Geschichte. Obwohl ich mehrere Anläufe machte, wollte sie einfach nicht geschrieben werden. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie in der Mappe zu lassen und mich anderen, neuen Ideen zuzuwenden.

Die im Spukhaus praktizierte Mordmethode habe ich übrigens sehr viel später in "Die Mauer muß weg" benutzt. Dieser Akt von Fledderei stellt endgültig sicher, daß "Professor van Dusen im Spukhaus" für immer unerledigt bleiben wird.

Bei anderen Fällen, die noch immer in der Mappe liegen, bin ich mir nicht so sicher. An "Professor van Dusen sucht die Arche Noah" (mit der Alternative "Professor van Dusen reitet das Trojanische Pferd" – anderer Ort, gleiche Basis: Archäologie und Dendrochronologie) könnte ich durchaus einmal weiterarbeiten, nicht fürs Radio, wohl aber für ein anderes Medium. Und daneben gibt es noch die eine oder andere gute Idee, die es verdient, daß ich mich von neuem damit beschäftige.

Daß dies auch für den kuriosen Fall in Piddletown, Vermont, gilt, der in der Van-Dusen-Saga ein- oder zweimal erwähnt wird, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Einiges sollte für immer ein Geheimnis bleiben, und das ist auch gut so. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang aber, daß Piddletown allem Anschein nach eine Art Eigenleben entwickelt hat. Wie wäre es sonst zu erklären, daß dieser rätselhafte Ort in meinem bisher letzten Hörspiel, "Die Schule der Glücksritter oder Arsène Lupin trifft Al Capone", auftaucht?

Michael Koser, März 2005

 



Ein unvollendet gebliebener Van-Dusen-Fall aus der Zeit 1987-1990. Exposé, Notizen und die ersten Seiten des Skripts geben Einblick in die Arbeitsweise des Autors – dem man gewissermaßen beim Schreiben über die Schulter sieht.

Ort & Zeit: Middleport / USA, April 1901

Chronologische Reihenfolge: zwischen #10 und #11

 


 

 
© 2004 Michael Koser, Gerd Pircher