1. Öffentliche Veranstaltung
1982
Prof. Dr. Dr. Dr. van Dusen
lässt bitten
Nachdem man sich 1978 entschlossen hatte, den
ersten beiden Rundfunkbearbeitungen eine eigene Reihe folgen zu lassen,
wird diese zunächst auf 24 Folgen angelegt. Zwar gibt es über
die nächsten Jahre hinweg immer wieder positive Rückmeldungen
zur Serie, der tatsächliche Umfang ihrer Akzeptanz ist aber nicht
wirklich bekannt. Um mögliche Hörerreaktionen hervorzurufen
und um sich bei einer eventuellen Fortführung der Reihe aus dem
Zwang der chronologischen Abfolge zu befreien, lässt Michael Koser
deshalb seinen Helden im Jänner 1982 in der 24. Folge – "Die
Erde hat ihn wieder" – während des Erdbebens von San Francisco
im Jahre 1906 ums Leben kommen.
Das Ausmaß der fast lawinenartig einsetzenden Protestwelle
überrascht dann aber alle Beteiligten. Bereits mit der Frühpost
langt ein erstes Schreiben, kurz nach der Sendung der letzten Folge
abgestempelt, beim Sender ein. Insgesamt werden es schließlich
über dreihundert Briefe und Telefonanrufe sein, in denen das Ende
der Reihe und der Tod des Professors bedauert, betrauert und teilweise
auch wütend abgelehnt wird:
"Dem Hörer, der mitdenkt und der auch die Klassiker
des Genres kennt, wurde ein Genuß geboten in einer herrlichen
Überzogenheit und witzigen Superlativen, was doch etwas ganz
anderes ist, als die whiskyernsten angloamerikanischen Ehebruchsmorde."
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Die 'Trauerkarte' einer
Grafikerin des Senders |
"Besonders delektiert haben wir uns auch stets an
den Krimis des Herrn Michael Koser und waren entsetzt, in der letztgesendeten
Folge den unrühmlichen Tod des Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van
Dusen miterleben zu müssen. Wir möchten unserer Hoffnung
Ausdruck geben, daß, wie im Nachspann angedeutet wurde, die
Sendereihe trotz des Dahinscheidens des Helden noch einige Fortsetzungen
finden wird, zumal sich sicher auch andere Hörer Ihres Senders
in gleichem Sinne geäußert haben dürften. Wir werden
das Programm weiterhin genau studieren, in der Hoffnung, bald wieder
einmal einer der mit viel Witz und historischen Anspielungen versehenen
Geschichten M. Kosers über die "Denkmaschine" lauschen
zu dürfen."
"Im Namen meiner Familie und unserer Freunde möchte
ich Sie herzlich bitten, Ihre spannende, humorvolle und einfallsreiche
Sendereihe mit Prof. van Dusen noch möglichst lange fortzusetzen.
Wir haben alle Abenteuer verfolgt und können Ihnen nur das größte
Kompliment zu Ihren Ideen machen."
"Ich kenne keine Krimiserie, die so farbig und lebendig
ist, wie diese; wie sagte man doch damals: Bravo, weiter so!"
"Sie haben Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen,
genannt "die Denkmaschine", sterben lassen. Trauer und Empörung
über sein abruptes Ableben bewegten unsere kleine Familie, war
doch der Held vieler denkwürdiger Kriminalfälle ein Born
abendlichen bzw. sonntäglichen Entzückens."
"Wir, die Klasse 8a des Walther-Rathenau-Gymnasiums
sind begeisterte Zuhörer und zeigen großes Interesse an
der Sendereihe ACHTUNG HOCHSPANNUNG mit den Fällen des Supergenies
Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen (Friedrich W. Bauschulte),
genannt die Denkmaschine, der nicht nur in allen Naturwissenschaften
als der absolut Größte galt, sondern auch in der Kriminologie.
Diese Sendereihen fördern nicht nur die Bildung eines Schülers
und bringen spannende Unterhaltung, sondern zeigen auch ein wenig
Humor."
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Das Veranstaltungsplakat 1982
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Als Reaktion auf dieses unerwartete Hörerecho wird nicht
nur die Produktion der Hörspielreihe wieder aufgenommen, man macht
sich im Sender zu diesem Zweck auch Gedanken über eine eigene Präsentation.
So entsteht die Idee einer "Öffentlichen Veranstaltung",
in deren Rahmen die neue Folge vor ihrer eigentlichen Ursendung einem
eigens im Funkhaus versammelten Publikum vorgeführt werden soll.
Aus diesem Grund lädt der Sender am Sonntag, dem 25. April
1982, die Hörer um 16.00 Uhr zur neuesten Produktion mit der großen
"Denkmaschine" in das Studio 10 im RIAS-Funkhaus in Berlin-Schöneberg
ein. Im größten Studio des Senders wird der 25. Fall aus
dem Tagebuch des Mr. Hatch – "Prof. van Dusen und der Zirkusmörder"
– dem zahlreich erschienenen, alle Altersgruppen umfassenden Publikum
präsentiert.
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Die Fans beginnen sich vor
dem Eingang des Funkhauses in der Fritz-Elsas-Straße zu
versammeln. Im Vordergrund ist in blauer Lederjacke und grauen
Hosen der Autor zu sehen ... unerkannt natürlich ...
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Im Anschluss an die Vorführung der neuen Episode hält
Michael Koser ein einführendes Kurzreferat, in dem er über
die literarische Herkunft des Professors und seinen Schöpfer Jacques
Futrelle erzählt und die Veränderungen schildert, die der
Charakter des Professors und die Art der Geschichten unter seinem eigenen
Einfluss erlebt haben.
Nach dieser Einleitung können die Besucher Fragen an den
Autor, den Regisseur und die Sprecher richten. Während Michael
Koser Fragen zum – kritisierten – Tod des Professors, dem historischen,
geographischen und naturwissenschaftlichen Hintergrund der Geschichten
und zu seiner Technik des Schreibens beantwortet, beschäftigen
sich die Anfragen an Rainer Clute vor allem mit dem Aufwand der Produktion,
der Auswahl der Sprecher, die Gestaltung der Geräuschkulisse und
die Herkunft der Musikeinlagen.
Die Schauspieler – Friedrich W. Bauschulte und Klaus Herm –
wiederum werden zur persönlichen Bedeutung ihrer Hörfunkarbeit
und zu ihrer Identifikation mit den von ihnen gesprochenen Figuren befragt.
Auch der Wunsch nach einer Kassetten-Edition der Hörspielreihe
wird erstmals laut, die laut Redakteurin auch vom Sender angedacht wird.
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Die "Massen" drängeln sich
zur ersten Van-Dusen-Veranstaltung 1982 ... |
Als ein Hörer auf Grund der ausgefeilten Charaktere, der
detailreich ausgearbeiteten atmosphärischen Hintergründe und
des Humors mit seinen "running gags" die Van Dusen-Reihe mit
dem Comic-Klassiker "Asterix" vergleicht, wird für Professor
van Dusen auch der Begriff von einem "akustischen Comic" geprägt.
Gegen Ende der Veranstaltung führt Rainer Clute zur Freude
des Publikums noch ein spezielles Band mit während der Produktion
verschiedener Episoden entstandenen Versprechern und daraus resultierenden
witzigen Studiogesprächen vor. Beschlossen wird die Diskussion
mit Abschieds- und Dankesworten von Michael Koser.
Ein ca. 35 Minuten langer Mitschnitt dieser ersten öffentlichen
Veranstaltung wird schließlich bei der offiziellen Erstausstrahlung
des 25. Falles am 28. April 1982 gesendet.