Gerald Kurdoğlu Nitsche
 
von
Günther Dankl
 
Dia-Zwischenglasmalerei, Projektion, 1989

Was und wie über einen Künstler schreiben, der dadurch charakterisiert wird, dass er „in keine Schublade passt“ und darauf mit verschmitztem Lächeln vielleicht entgegnen würde, dass er dazu ja auch viel zu groß sei! Der als Maler, Schreiber, Herausgeber, Galerist, Vor- und Nach-Denker nicht nur im Tiroler Oberland, wo er über Jahre hindurch als Deutschlehrer, Kunsterzieher und Kunstkritiker wirkt, „eine fixe Größe ist“, sondern über die geographische Enge hinausgehend im gesamten Kunst- und Kulturschaffen Tirols Spuren gesetzt hat und immer noch setzt. Noch dazu, wenn dieser Beitrag zum 65. Geburtstag und darüber hinaus ausgerechnet in einem „Poesiealbum“ erscheint, das sich der Künstler selbst zum Geburtstagsgeschenk gemacht hat. Im Grunde genommen kennt man ein Poesie- oder Freundschaftsbuch nur von seiner Jugendzeit her. Mit dem Tagebuch verbindet es „die bezweckte Erinnerung an Menschen, mit denen der gemeinsame Lebensweg oder zumindest Teile davon geteilt wurde“.

Pordreh, 1988

Mir ist das Werk von G.K.N. in erster Linie von seiner Ausstellung im Tiroler Kunstpavillon 1990 her bekannt, wo er sich als kritischer, nicht angepasster Geist und vielseitiger Künstler präsentiert hat. Persönlich kennen gelernt habe ich ihn im Zusammenhang mit einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb für die Volksschule in Zams, wo er ein großes, weithin sichtbares Mobile gestaltet hat. Aber reichen diese beiden mich mit ihm verbindenden Erinnerungen bereits dazu, einen Beitrag für sein „Poesiealbum“ zu leisten? Erwartet der Künstler selbst nicht vielleicht mehr als die bloße Niederschrift einer gemeinsamen Begegnung, zumal ja das Poesiealbum anlässlich einer Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum erscheint? Zum Kennenlernen des ganzen G.K.N. und als Vorbereitung für diesen Beitrag und die Ausstellung im Ferdinandeum habe ich ihn in seinem Haus und seinem Atelier aufgesucht, in der Hoffnung, mir nun ein „klares“ Bild von ihm verschaffen zu können. G.K.N. hat dabei in Schubladen gekramt, aus unzähligen grafischen Blättern einige ausgewählt und sie mir, jede mit einem Satz kommentierend, vorgelegt. Ebenso hat er mir im Garten aufgestellte Skulpturen gezeigt oder aus Holzregalen ohne System aneinander gereihte Bilder herausgezogen, mit der jeweiligen Bemerkung: „Ach, ja, das habe ich auch noch gemacht!“ So, als wäre er selbst darüber erstaunt, was und wie viel er bisher geschaffen hat.

Porträt, 1988

Wie also sich G.K.N. nähern, wenn auch ein Atelierbesuch letztendlich mehr Verwirrung als Klarheit verschafft hat und auch ein Durchforsten der über ihn bzw. seine künstlerische Tätigkeit erschienenen Kataloge, Besprechungen und Kritiken keinen wirklichen Aufschluss bringt. Eine mögliche Form der Annäherung, so denke ich, ist die über seine Selbstbildnisse und Selbstporträts, sind diese doch, so deren lexikalische Definition, „die Selbstdarstellung eines Künstlers (...), in der analog dem Bildnis die Individualität – sowohl der äußeren Erscheinung als auch von der sozialen und geistig-psychischen Wesenheit zum Ausdruck gebracht wird“.

Von G.K.N. gibt es drei mir bekannte Selbstporträts, die unterschiedlicher nicht sein können. Das zeitlich älteste stammt von 1986 und findet sich im Leporellokatalog zur Ausstellung „65 Jahre Tarrenz DADA 1921–1986 – Versuch einer Rekonstruktion / Satirische Objekte von Gerald Nitsche“ (18.4.-10.5.1986, Museumsgalerie DADA Tarrenz). Es zeigt ein ausgeschnittenes Halbbrust- bzw. Halbprofilfoto des Künstlers mit ernstem Gesicht und einer Narren- oder Till-Eulenspiegel-Mütze auf dem Kopf, auf der von Hand das Wort „Freiheit“ geschrieben ist. Montiert ist das Foto auf einem mit kalligrafischen Zeichen und Gekritzel übersäten weißen Hintergrund. Oben links neben der Mütze steht in Rot das Wort „PROVO“, rechts das Wort „AKTION“.

Porträt, ca. 1998

Das nächste „KÜNSTLER-Porträt“ ist von 1988 und besteht aus bemalten und drehbar montierten Kupferblechen mit changierenden Profilen des Künstlers, gleichsam ein „Pordreh“ bildend. Es wurde erstmals im Katalog zur Ausstellung „FARBKLANGFARBE“ im Schlossmuseum Landeck (September/Oktober 1988) abgebildet und bildet seither ein immer wieder erwähntes Werk diverser Ausstellungen von G.K.N. Im selben Katalog, auf der gegenüberliegenden Seite wiedergegeben, ist wiederum ein s/w Foto des Künstlers mit der oben erwähnten „Freiheits“-Mütze auf dem Kopf. Im Gegensatz zu dem von 1986 schaut Nitsche nunmehr dem Betrachter über die auf die Nase geschobene Brille von unten direkt ins Gesicht, wodurch ein spürbarer skeptischer, aber auch hinterfragender Ausdruck gegeben ist.

Und das jüngste schließlich ist rund 10 Jahre später entstanden und in Öl auf Leinwand ausgeführt. Fragend und eindringlich zugleich wendet der Künstler den Blick von der Leinwand, an der er gerade arbeitet, weg und dem Betrachter zu. Das von links einfallende Licht wirft gleichsam wie ein zweites Ich einen gelbgrünen Schatten auf die weiße Wand im Hintergrund, halb abgedeckt durch die bereits mit Farbe bedeckte Leinwand im Mittelgrund. In seinem rechten Arm hält Nitsche eine ruhende Katze, deren Fell sich deutlich von dem die gesamte untere Bildhälfte einnehmenden dunklen Pullover und der Malschürze des Künstlers abhebt. Entstanden ist das „Selbstbildnis mit Katze“ in der Türkei, wo sich Nitsche damals aufgehalten und am St. Georgs-Kolleg in Istanbul unterrichtet hat. Alle drei Porträts repräsentieren jeweils unterschiedliche Seiten des Künstlers, der es einem dadurch nicht leicht macht, sein Schaffen und seine Person umfassend zu charakterisieren.

Klangrelief: Diverse Gegenstände in Beton, Elektronik, 195 x 195 cm, LBS Landeck, 1988
   
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