Gerald Kurdoğlu Nitsche
 

 

Ersteres steht für den „Freigeist“ Nitsche, für den Quer-Denker. Den „Entwicklungshelfer in Tirol“, wie ihn Oswald Perktold einmal bezeichnet hat. Den Philosophen, Theoretiker, Schreiber, engagierten Humanisten, Deutschlehrer, Kunsterzieher und Herausgeber, der gemeinsam mit Raoul Schrott nicht nur DADA in und für Tirol wieder entdeckt und in Publikationen, Aufsätzen und Referaten publik gemacht hat, sondern sich zeit seines Schaffens immer wieder für die Sprache und Literatur europäischer „Wenigerheiten“, wie er die als Minderheiten bekannten Randgruppen nennt, ein- und auseinandersetzt.

Es ist der Nitsche, der sich nicht davor scheut, die Dinge beim Namen zu nennen und der das zum Ausdruck bringt, was andere oftmals vorlaut aber auch leise und subtil treten und damit zerstören oder verhindern. Zu ihm passt die „Narren“- und „Freiheits“-Mütze, der skeptische Blick durch und über die Brille, das Hinterfragen der Seh- und Sprachgewohnheiten, das Nachdenken über und die Auseinandersetzung mit Dogmen und vordergründigen Ideologien.

Abschied, Radierung, 1969

Zu ihm passt aber auch der türkische Name Kurdoğlu, der nichts anderes als „Sohn des Kurt“ bedeutet und den er seit 1993 als Protest gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus als zweiten Vornamen führt und der zugleich auch seine Hochachtung der türkischen Kultur gegenüber zum Ausdruck bringt, die kennen zu lernen er durch seine beiden über mehrere Jahre dauernden Aufenthalte in Istanbul Gelegenheit hatte. Mit dem Kurdoğlu eng verbunden ist der Nitsche mit dem Namen Gerald, dem eigentlichen und damit identitätgebenden Vornamen.

Das Ei, 1973, Kalksandstein St. Margarethen

Der vielseitige, der ironisch-witzige, mitunter egozentrische, naive aber auch tierisch-ernste Künstler G.K.N. Der, der sich selbst als „Pordreh“ immer wieder um die eigene Achse dreht, der ständig in Bewegung ist und dadurch den Betrachter auch ständig „auf Trab“ hält. Dies ist der Nitsche, der zumeist als der „dadaistische“ bezeichnet wird, der „homo ludens“, wie ihn Gert Ammann einmal im Katalog zur Ausstellung „10 Jahre Künstlergruppe Galerie Elefant“ von 1982 charakterisiert hat und der mit Blaukraut, Tee, Sägemehl, Kaffeesatz, Holzstücken und anderen Materialien ebenso arbeitet wie mit Sprache.

Kalligraphie: Stoßgebet, 2004

Es ist der Nitsche, der nicht davor zurückschreckt, sowohl sich selbst oder die eigene Kunst als auch die anderer Künstler in Frage zu stellen. Er ist der Sammler, der Beobachter, der Grübler, der nach allem Möglichen greift, das ihm auffällt oder in den Sinn kommt und dabei auch das Risiko eingeht, dass das Formale oftmals auf Kosten des Inhaltlichen geht und umgekehrt. Es ist aber auch der Nitsche, der die europäische Kunstgeschichte ebenso gut kennt wie die österreichische Gegenwartskunst, der mit kunsthistorischen Zitaten ebenso spielerisch umgeht wie mit Machtsymbolen, die er ironisch dazu einsetzt, die damit verbundenen Ideologien und Strukturen zu „enttarnen“.

"Das polnische Blumenkreuz" (Lack auf Plastik, Montage, 1982/83)

Er schafft „Schüttbilder“ aus Kaffeesatz, lässt frei nach Duchamp eine Kaffeekanne eine Treppe herabschreiten, wiederholt in einer „5-Stunden-Aktion für Claude Monet“ dessen Wagnis, die Kathedrale von Rouen auf 30 Blätter nunmehr zeichnerisch festzuhalten, verwendet das Hakenkreuz um daraus eine „Hakkenkreuz“- Skulptur zu gestalten, fertigt mit Hammer und Sichel ein „polnisches Blumenkreuz“ oder klemmt unter die Scheibenwischer seines Auto ein mit Farbe bedecktes Papier, um somit eine ganz banale „Scheibenwischermalerei“ zu erzeugen.

aus der Reihe "5-Stunden-Aktion für Claude Monet, 30 x Kathedrale von Rouen", 1985

Zum einen sind es oftmals nur mit einem gewissen Augenzwinkern betrachtete einfache „Schnapsideen“, die uns der Künstler vor Augen führt und in denen er die auf ihn wirkenden äußeren Ein-Drücke auf einen für ihn gültigen springenden Punkt zu bringen sucht, zum anderen sind es aber auch mitunter zum Nachdenken anregende Werke, in denen er unter dem Einsatz satirischer Mittel die Dinge oftmals so gegen den Strich bürstet, dass das auf den ersten Anblick vordergründig und oberflächlich Scheinende in ein pointiertes Aufzeigen des Hintergründigen umschlägt.

Zuckerbusen, 1989

Und dann gibt es noch „den Nitsche“. Der mit dem Familiennamen „Nitsche“, der Maler, der bereits im Paulinum in Schwaz unter der Anleitung von Wilfried Kirschl erste passable Malversuche auf Leinwand angestellt und diese dann durch Studien in Wien bei Sergius Pauser und Herbert Boeckl und in Den Haag vertieft und 1967 zu einem akademischen Abschluss gebracht hat.

Inselbild 4, 1998
   
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