DER KÖCHER


Ötzls Köcher, in dem sich die Pfeile und die Geweihspitzen befanden, war beschädigt. So war die Verschlußklappe abgerissen und fehlte ebenso wie der Trageriemen; außerdem war die Holzleiste am Seitenrand des Köchers in mehrere Teile zerbrochen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen der einzelnen Teile und deren Fundorte haben ergeben, daß die Beschädigungen des Köchers schon zu Lebzeiten Ötzls eingetreten sein mußten und er ihn in näherer Zukunft reparieren wollte.

Wie bei so vielem in Ötzls Ausrüstung überrascht auch beim Köcher das perfekte Design und seine Funktionalität. Das zeigt sich u.a. am durchdachten Doppelverschluß mit Flügel- und Verschlußklappe.

Allerdings läßt sich dieser Bereich des Köchers mit der Tragevorrichtung auf Grund der fehlenden Teile nicht mehr ganz einwandfrei rekonstruieren. Insbesondere die Frage nach der genauen Befestigung des Trageriemens muß offen bleiben, sie läßt sich nur mehr vermuten.

Der Köcher selbst ist aus einem länglichen, rechteckigen Fellsack gefertigt, der zum unteren Ende hin schmäler wird.

Das nach außen gerichtete hellbraune Haarkleid dieses Ledersacks, das am Fundstück nur mehr in einzelnen Büscheln erhalten geblieben ist, stammt vermutlich von einer Gemse.

Das Fellstück wird an der Längseite und der unteren Schmalseite mit feinen Lederbändern vernäht. An der Unterseite wird die Naht nach innen geschlagen, an der Längsseite nach außen.

Unterhalb der Köcheröffnung befinden sich auf der Vorderseite zwei kleine senkrechte Einschnitte, durch die ein Lederbändchen gezogen wird, vermutlich um beim Zuschnüren der Verschlußklappe zu helfen.

Eine 92,2 cm lange Haselrute, eine zähe und biegsame Holzart, dient als Versteifung des Köchers. Diese wird, vermutlich mit dem Klingenkratzer, entrindet, geglättet und anschließend mit einer V-förmigen Nut versehen. In regelmäßigen Abständen wird nun der Stab in der Nut mit einem Bohrer zwanzigmal gelocht. Der Köcher wird dann mit seiner Längsnaht in die Nut eingelegt und mit Lederbändern durch die Löcher verknüpft.

Über dem Köchermund befindet sich die halbkreisförmige Flügelklappe, die an den Rändern vernäht ist. Zusätzlich wurde sie mit Ledernähten verziert - ein Zeichen für das ästhetische Empfinden des Steinzeitmenschen. Diese 17 cm hohe Klappe ist mit einem schmalen Lederstreifen an einer seitlichen Verlängerung des Köchersacks angenäht. Über die Flügelklappe wird die Verschlußklappe des Köchers geschlagen, um die Öffnung völlig zu verschließen.

Die Pfeilenden mit der Befiederung ragen über den Köchermund hinaus. So kann die empfindliche Befiederung beim Herausziehen eines Pfeiles nicht durch Scheuern an der Innenwand des Köchers beschädigt werden.

Die Flügelklappe wird seitlich über die Befiederung gelegt und verhindert so eine Beschädigung beim Herunterklappen der Verschlußklappe.

Sowohl die Verschluß- als auch die Flügelklappe können nun den Pfeilenden Schutz vor Regen usw. bieten.

Mit diesem Köcher kann sich Ötzl perfekt im unwegsamen Gelände bewegen - die Verschlußklappe sorgt dafür, daß beim Laufen, beim Klettern in den Bergen oder beim Springen über Gräben usw. keine Pfeile aus dem Köcher herausfallen.


© 2003 PIRG