DAS KUPFERBEIL


Einer der interessantesten Gegenstände des 'Mannes aus dem Eis' ist das Kupferbeil, das mit dem Bogenstab in der Nähe der Gletscherleiche gefunden wurde. Dabei handelt es sich um ein für die Zeit typisches Beil mit Knieholmschäftung - das einzige, das vollständig mit Holm, Klinge und Wicklung erhalten geblieben ist.

Diese Knieholmschäftung von Ötzls Beil wurde aus Eibenholz gefertigt. An sich ist das Eibenholz, das auf Grund seiner Härte nur schwer bearbeitbar ist, eine eher unübliche Wahl für eine Holzschäftung. In der Regel wurde für diesen Zweck das Holz der Esche vorgezogen.

Auf jeden Fall stammt der Holzteil des Beiles aus einem Teil des Baumstammes, aus dem ein starker Ast in einem rechten Winkel herauswächst. Aus dem Stammteil wird der Stiel des Beiles (auch Holm genannt) herausgeschnitzt, während der Ast zum Schaft wird - die natürliche Verbindung von Stamm und Ast gibt dem Beilgriff seine Haltbarkeit.

Der leicht geschwungene Holm besitzt eine Länge von knapp über 60 cm und hat an seinem hinteren Ende einen runden, ca. 3 cm breiten Querschnitt. Zum kugelförmig herausgearbeiteten Holmkopf hin erhält der Stiel zur Verbesserung der Haltbarkeit einen mehr ovalen Querschnitt.

Der aus dem Holmkopf herausragende Schaft erhält einen gabelartigen, fast 7 cm langen Schlitz. In diese Schäftungsvorrichtung wird millimetergenau die Beilklinge eingepaßt. Drei Viertel der Klinge befinden sich nun in der Gabelung, ihre Schneide steht 2,6 cm vor. Die Klinge wird in der Gabelung zunächst mit dünn aufgestrichenem Birkenteer angeleimt, bevor man das Ganze mit schmalen Lederstreifen umwickelt.

Die Wicklung des Beils besteht aus drei oder vier Streifen, die an ihren Enden mit Schlitzen versehen und ineinandergesteckt werden. Zur besseren Fixierung wird das Ende des letzten Streifens unterhalb des Holmkopfes um den Stiel des Beiles geschlungen. Nicht geklärt ist, ob es sich bei den Lederstreifen um gegerbtes Leder oder rohe Tierhaut handelt. Rohe Tierhaut hat den Vorteil, daß sie sich, wenn man sie im nassen Zustand benutzt, beim Trocknen noch weiter zusammenzieht und dadurch eine festere Umwicklung ergibt.


Besonders bemerkenswert an diesem Fundstück ist aber vor allem die 9,3 cm lange Klinge, die nicht wie üblich aus Feuerstein, sondern aus Kupfer besteht. Sie zeigt, daß Ötzl und seine Mitmenschen bereits mit der Gewinnung und Verarbeitung dieses Metalles vertraut waren.

Der Rohling der Klinge wurde mit Hilfe einer Gußform aus fast reinem Kupfer gegossen und anschließend durch Hämmern und Schleifen in seine fertige Form gebracht.

Die Schneide der Klinge wird dabei durch Hämmern ausgedünnt, wobei sie sich ihrer Länge nach abrundet und an ihren Spitzen verbreitert. Anschließend wird die Schneide durch Schleifen geschärft.

Die Schmalseiten der Klinge sind an den Rändern leicht erhöht - hier wurden die Randleisten durch Hämmern zu seitlich vorstehenden Graten getrieben, die verhindern, daß das Beil in der Halterung nach oben oder unten verrutschen kann.

Das hintere Ende der Klinge besitzt eine Breite von 0,4 cm, die dafür sorgt, daß beim Gebrauch des Beiles die Klinge nicht tiefer in den Schaft getrieben wird und diesen spaltet.


Weil es sich bei Kupfer um ein weiches Metall handelt, wurde anfänglich an der Gebrauchsfähigkeit des Beiles gezweifelt. Verschiedenen Theorien zufolge sollte das Beil als Kultaxt oder Statussymbol verstanden werden. Experimentelle Archäologen konnten allerdings die praktische Funktionsfähigkeit des Beiles nachweisen, als sie einen Eibenstamm in knapp einer Stunde fällten. Man darf dabei allerdings nur gemächlich arbeiten und nicht mit voller Wucht zuschlagen, um das Beil nicht zu bechädigen.


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