DIE KUPFERGEWINNUNG


Die Entdeckung des Kupferbeils zeigt, daß Ötzl in der Kupferzeit, der letzten Phase der Jungsteinzeit, gelebt hatte. Weitere Funde von Guß- und Schmelztiegeln in einigen Siedlungen beweisen, daß während und auch schon vor Ötzls Lebzeiten die Technik der Kupferverarbeitung, d.h. das Schmelzen und Gießen des Metalls, bekannt war.

Inwieweit aber zu Ötzls Zeit richtiger Kupferbergbau betrieben wurde, läßt sich schwer feststellen. Kupfer findet man in Gestein, das sowohl an der Oberfläche, als auch auch im Berginnern gewonnen werden kann.

Untersuchungen der Kupferklinge haben ergeben, daß das Material dieses speziellen Fundstückes nicht unter Tage gewonnen wurde, sondern an der verkrusteten Oberfläche von Kupferlagerstätten stammen muß. Auf jeden Fall finden sich im Alpengebiet zahlreiche Lagerstätten von Kupfererz (Malachit, Azurit), die für Ötzl erreichbar waren.

Welche Techniken und Geräte der Gletschermann zum Schürfen des Erzes eingesetzt hat, ist allerdings nicht bekannt. Die einfachste Abbaumethode war vermutlich das Abschaben der über Tage liegenden Krusten mit dem erzhaltigen Gestein.

Zum Einsatz dürften Werkzeuge wie Geweihhacken bzw. Horn- & Feuersteinpicken und Hammersteine gekommen sein, eventuell auch die Methode des "Feuersetzens". Dabei wird das kupferhaltige Gestein mit Holzbränden, manchmal über mehrere Tage, erhitzt und anschließend mit kaltem Wasser abgekühlt. Durch diesen Vorgang wurde das Gestein rissig und konnte leichter weggebrochen werden.

Die Gesteinsbrocken werden gesammelt und auf einer harten Unterlage mit Felsgestein in kleinere Stücke zermahlen, um das eigentliche Erz vom sogenannten 'tauben' Gestein zu trennen.

Dann beginnt die 'Verhüttung' des Materials, d.h. die Umwandlung von Erz in Metall. Azurit und Malachit sind oxidische Kupferverbindungen, die ohne weitere Vorarbeiten verhüttet werden können.

Schwefelhaltige Erze wie Kupferkies müssen dagegen zunächst von ihrem Schwefelanteil befreit werden. Dazu werden die zerkleinerten Brocken zunächst einmal im Feuer geröstet. Während des Röstprozesses reagiert ein Teil des Schwefels mit dem Luftsauerstoff und entweicht als Schwefeldioxid, was sich durch einen starken Schwefelgeruch bemerkbar macht. Da der Kupferstein, das Ergebnis dieses Vorganges, immer noch Schwefelanteile enthält, wird das Ganze wiederholt. Bei diesem Prozeß kann ein sogenanntes Röstbett zur Anwendung kommen. Dieses besteht aus einem aus gestampften Lehm gebildeten Rechteck mit einer leichten Vertiefung in der Mitte und einer Umfassung aus Steinen. Das trockene Feuerholz wird so in dem Röstbett aufgeschichtet, daß das Erz deutlich oberhalb des Bodens auf das Holz gelegt werden kann. So kann sich das Erz erst in der Mitte der Vertiefung sammeln, nachdem es mit dem Sauerstoff reagiert hat. Durch die Auskleidung des Röstbettes mit Lehm kann das geröstete Erz nach Abschluß des Röstvorgangs mehr oder weniger vollständig herausgelesen werden. Derartige Röstbette wurden allerdings erst bei Ausgrabungen von Verhüttungsplätzen aus der späteren Bronzezeit entdeckt. Eine Verhüttung von schwefelhaltigen Erzen ist im Gegensatz zur Verwendung von Malachit und Azurit für die Jungsteinzeit nicht nachgewiesen und gilt als unwahrscheinlich.

Nun beginnt der eigentliche Schmelzvorgang, bei dem das Kupfer aus dem Erzgestein gewonnen wird.

Die entsprechende Methode entwickelte sich vor ca. 8000 Jahren im Vorderen Orient, von wo aus sie sich vermutlich über Ungarn nach Mitteleuropa verbreitete und schließlich vor 5000 Jahren auch den Lebensraum Ötzls erreichte.

Die Konstruktion eines Ofens der Jungsteinzeit hat aller Wahrscheinlichkeit nach jenen Schachtöfen entsprochen, die aus Fundstellen der Bronzezeit bekannt sind.

Ein solcher Ofen wird aus behauenen Steinblöcken mit Lehm als Mörtel gemauert, seine Innenseite vermutlich mit Lehm verkleidet. Am unteren Rand der Vorderseite befindet sich das Abstichloch mit der davorliegenden Schlackengrube. Darüber ist das Düsenloch angebracht, durch das die Windzufuhr erfolgt.

Für die Verhüttung des Erzes wird nun der Ofen mit Kupfererz und Holzkohle 'beschickt' bzw. angefüllt, die in mehreren Schichten übereinander gelagert werden.

Da Kupfer einen hohen Schmelzpunkt besitzt, muß in diesem Ofen eine Temperatur von über 1000° erreicht werden. Zu diesem Zweck wird der Holzkohleglut mehrere Stunden lang Sauerstoff bzw. Luft durch das Düsenloch zugeführt. Dies erreicht man mit Hilfe von Blasebälgen.

Wie ein solcher steinzeitlicher Blasebalg tatsächlich ausgesehen hat, ist nicht bekannt. Experimentelle Archäologen stellten aber funktionierende Blasebälge aus Ledersäcken her, die mit aus Ton gefertigten Rohren verbunden wurden. Über ein solches Tonrohr wird die Luft in den Ofen geblasen.

Sobald im Ofen die Schmelztemperatur erreicht wird, trennt sich das reine Kupfer von den Verunreinigungen, der eisenhaltigen Schlacke. Während letztere beim 'Ofenanstich' durch das Abstichloch in die Schlackengrube abfließt, bleibt der Gusskuchen aus Rohkupfer (Kupferkuchen, Kupferbarren) am Grund des Bodens zurück.

Die Schlacke selbst kann wieder eingesammelt und nochmals eingeschmolzen werden, um auch den letzten Rest von Kupfer, der noch in ihr enthalten ist, zu gewinnen.


Diese Kupferkuchen können nun durch verschiedene Verarbeitungstechniken (Schmelzen, Gießen und Schmieden) zu Gegenständen weiterverarbeitet werden.


© 2003 PIRG