DAS SCHLAGFEUERZEUG


Neben den drei Feuersteinwerkzeugen (Klingenkratzer, Lamellenstück und Silexbohrer) und der Knochenahle enthielt Ötzls Gürteltasche eine schwarze Masse, die den größten Teil des Platzes einnahm. Diese Masse bestand aus vier unregelmäßigen, weichen Gebilden. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen stellte sich heraus, daß es sich um das getrocknete Fruchtfleisch eines Baumpilzes, des Echten Zunderschwammes, handelte.

Dieser Zunderschwamm ist ein wesentlicher Teil eines steinzeitlichen Schlagfeuerzeuges. Zu diesem gehören eigentlich auch ein Feuerstein und eine Pyritknolle. Beides fehlt aber in der Ausrüstung des Mannes aus dem Eis. Allerdings entdeckte man am Zunderschwamm feine Staubpartikel, die von einem Pyrit stammen. Damit war erwiesen, daß Ötzl ursprünglich im Besitz eines Schlagfeuerzeuges gewesen sein mußte.


Wann es dem Menschen gelungen ist, Feuer selbständig zu erzeugen und zu erhalten, konnte bislang nicht einwandfrei geklärt werden. Die beiden ältesten Methoden sind das Erzeugen von Feuer durch Reibung, d.h. das Reiben von Holz auf Holz, und das Feuerschlagen, d.h. das Funkenschlagen mit Feuerstein und Pyrit. Vermutlich war das Feuerschlagen die ältere der beiden Arten.

Zu einem steinzeitlichen Feuerschlagbesteck gehört, wie eingangs erwähnt, ein Schlagstein aus Feuerstein bzw. Silex. Am häufigsten wird dabei der Kernstein verwendet, der nach dem Abschlag der Klingen übrigbleibt.

Beim Pyrit und Markasit handelt es sich um harte, körnige und goldmetallisch glänzende Gesteine. Dabei handelt es sich um Eisen-Schwefelverbindungen (Eisensulfit), die auch 'Schwefelkies' genannt werden.

Schlägt man zwei Feuersteine oder Quarzsteine gegeneinander, entstehen zwar auch Funken, aber diese erlöschen bzw. erkalten bereits nach sehr kurzer Flugbahn. Dagegen glühen die Funken eines Pyrits oder Markasits wesentlich länger und können so den Zunder zum Glimmen bringen. Aufgrund dieser Eigenschaft erhielt dieses Eisenerz in früheren Zeiten auch den Namen "Funkenstein".

Damit aus diesen Funken ein Feuer entstehen kann, benötigt man als dritten Bestandteil des Schlagfeuerzeuges ein leicht entzündbares Material, das diese Funken auffängt. Dieses hat man im Echten Zunderschwamm gefunden.

Der Echte Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ist ein Baumpilz, der als Parasit vor allem an älteren Bäumen zu finden ist. Dieser mehrjährige korkig-zähe Fruchtkörper erreicht eine Größe von 20 bis 30 Zentimetern und wächst huf- oder konsolenförmig am toten Holz. Die braune bis graue Oberseite ist in wellig-rillige Zonen geteilt und besitzt eine harte Kruste. Die hell- bis dunkelbraune Unterseite besteht aus einer feinen Schicht Poren, in deren Röhren die Sporen heranreifen.

Bevorzugt befällt er die Buche, in nördlicheren Breiten auch die Birke bzw. in südlicheren die Eiche. Aber auch Ahorn, Erle, Esche und Pappel können dem Pilz als Wirt dienen. Der Pilz verursacht Kernfäule bzw. Weißfäule, d.h. er 'ernährt' sich von der Zellulose, dem Lignin (gewissermaßen das 'Skelett' des Baumes) und den Kohlenhydraten im Stamm, der auf diese Weise in ein helles, feuchtes und weiches Holz zersetzt wird.

Als Zundermaterial ist nur die Mittelschicht zwischen der oberen Kruste und der unteren Poren- bzw. Röhrenschicht, die sogenannte Trama, geeignet. Diese Mittelschicht muß zuerst aus dem Pilz herausgeschnitten und anschließend noch speziell präpariert werden. Dazu wird das weiche Fruchtfleisch zunächst in Scheiben geschnitten. (Ötzl benutzte für diese Arbeiten vermutlich den Klingenkratzer, den er ja ebenfalls in der Gürteltasche mit sich führte).

Um die Entzündbarkeit dieses organischen Materials noch weiter zu erhöhen, wird dann das Ganze in einer stickstoffhältigen Flüssigkeit getränkt. In späterer Zeit wurde dafür eine Salpeterlösung verwendet, der Steinzeitmensch griff vermutlich auf Urin zurück. Nach dem Trocknen muß die Masse weich geklopft werden. Es empfiehlt sich auch, das Zundermaterial vor dem eigentlichen Gebrauch noch einmal kräftig aufzulockern und zu zerreiben, z.B. mit dem spatelförmigen Ende der Knochenahle.

Beim Feuerschlagen wird nun wiederholt der Pyrit gegen eine scharfe Kante des Feuersteins (oder der Feuerstein gegen den Pyrit) in einer schnellen halbkreisförmigen Bewegung von oben nach unten geschlagen, bis Funken auf den darunterliegenden, zerbröselten Zunder fallen.

Man kann auch einen der beiden Steine (z.B. den Pyrit) zwischen Daumen und Zeige- und Mittelfinger nehmen, während man darunter zwischen Ringfinger und kleinem Finger den Zunder einklemmt, der den abgeschlagenen Funken auffangen soll.

Sobald der Zunder durch die Funken zum Glimmen gebracht wurde, muß dieser vorsichtig zu einer Glut angeblasen werden. Weil der Zunder selbst nur glüht und keine eigene Flamme entwickelt, benötigt seine Glut neue Nahrung, um nicht zu verlöschen bzw. um ein Feuer anzufachen. Zu diesem Zweck wird der Glutherd auf ein leicht entflammbares Material gelegt bzw. behutsam darin eingewickelt. Am besten eignen sich dazu feinfaserige und trockene Materialien wie Rohrkolben- und Distelwolle, Moos, Heu, Stroh, zerkleinertes morsches Holz, getrocknete Birkenrindenstücke, kleine Zweige usw. Durch weiteres Hineinblasen wird nun der Glutherd vergrößert, bis ein richtiges Feuer entsteht.

Wie aus der Ausrüstung des Mannes aus dem Eis ersichtlich ist, führte er einen eigenen Glutbehälter mit sich, mit dem er sehr rasch ein neues Feuer entfachen konnte. Im Gegensatz dazu war die Feuergewinnung mittels eines Feuerschlagbesteckes wesentlich zeitaufwendiger und darüber hinaus auch stark von den äußeren Umständen, d.h. von der Witterung, abhängig. So konnte es z.B. bei schlechtem Wetter Probleme mit der hohen Luftfeuchtigkeit geben, die die Entflammbarkeit des Zunders bzw. der anderen Brennmaterialien wesentlich beeinträchtigte. Aus diesem Grund war das Schlagfeuerzeug für den Menschen der Steinzeit vermutlich als eine Art Reserve für den Fall gedacht gewesen, daß die Glut im Glutbehälter einmal verlöschen sollte.


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