Jonas - Der letzte Detektiv |
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Es war einmal
eine Zeit, da gab es Privatdetektive. Harte Männer, gerecht, nie
um eine Antwort und einen Ausweg verlegen. Aber in den ersten Jahren dieses
Jahrtausends gibt es nur noch einen: Jonas. Er ist der letzte seiner Zunft.
Nicht mehr ganz so hart, auch nicht immer gerecht, manchmal fällt
ihm auch gar keine Antwort ein - und einen Ausweg muss er meist lange
suchen, aber dafür ist er auch nicht allein: Sam, sein Begleiter,
ist immer dabei. Sam ist der unentbehrliche, überprogrammierte und
zuweilen recht geschwätzige Computer. Er kann alles. Außer
Walzer tanzen. Und Kinder kriegen ... |
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Wie fing es an mit dem "Letzten Detektiv", damals, vor fast 25 Jahren? Ich mache eine Zeitreise, tauche ein in alte Briefwechsel und Notizen, die ich sorgsam aufbewahrt habe. Der Schriftsteller als Archivar – es ist sicher kein Zufall, daß ich tatsächlich mal Archivar werden wollte. Zum Glück hab ich's mir anders überlegt. Im Frühjahr 1982 brachte ich Professor van Dusen um – ein Test mit unerwarteten und ungeheuer positiven Folgen. Ich fühlte mich richtig gut, mir war klar: Das Schreiben von Krimireihen fürs Radio ist meine Stärke und meine Berufung. Eine Reihe war mir nicht genug. Die Abenteuer der "Denkmaschine" machten mir noch immer und gerade jetzt viel Spaß, aber ich wollte mehr und fing an, eine neue Reihe zu entwerfen. Sie sollte anders werden als die Van-Dusen-Reihe, ganz anders. Van Dusen ist der klassische Amateur-Detektiv (Verzeihung: Amateur-Kriminologe) der Belle Epoque – der Neue sollte der nicht minder klassische professionelle Detektiv der Hammett- und Chandler-Ära sein. "Realistische" Gegenwartskrimis, Soziokrimis, wie es sie damals in der deutschsprachigen Szene geradezu massenhaft gab, wollte ich auf keinen Fall schreiben. Die Vergangenheit, das historische Milieu, deckte van Dusen ab. Dem neuen Detektiv sollte die Zukunft gehören, die nahe Zukunft, das frühe 21. Jahrhundert. Kein zeitgenössischer Realismus also – wohl aber zeitgenössische Probleme und Gefahren, überspitzt und weitergedacht, dazu ein Ton, der dunkler, weniger heiter sein sollte als der der Van-Dusen-Reihe. Ich wollte eine Zukunft skizzieren, die nicht licht und utopisch sein würde, vielmehr finster und bedrohlich, chaotisch, absurd. Jonas sollte der Neue heißen, das wußte ich schon sehr früh. Ein anderer Name kam nicht in Frage. Als ich von einer befreundeten Redakteurin erfuhr, sie wolle ihren kleinen Sohn Jonas nennen, klickte irgendwas – Name und Figur hatten sich gefunden. Sam kam später und hieß zunächst anders. Die ersten Plots machten sich bemerkbar, Jonas' Welt kriegte präzisere Umrisse. Ich setzte mich hin und schrieb ein erstes Exposé. Ich hatte mir was überlegt. Professor van Dusen lief im RIAS. Es wäre schön, dachte ich, wenn meine neue Reihe im zweiten Westberliner Sender, dem SFB, laufen würde. Dann könnte ich auch hier eine Produktion begleiten und womöglich mit einem neuen Regisseur ein ähnlich gutes Verhältnis aufbauen wie mit Rainer Clute. Ich kannte den Hörspielchef des SFB, einen gewissen Ulrich Gerhardt, ein wenig und bot ihm Jonas an. Gerhardt, ein notorischer Radio-Kunstkopf und Avantgardist, reichte das Projekt mit spitzen Fingern an einen Unterling weiter. Der hieß, glaube ich, Goy und hat, glaube ich, selbst ab und zu Hörspiele verfaßt. Goy wollte Jonas nicht, weil er "heftchenähnliche Komikart" verabscheute. Er gab mir den wohlwollenden Rat, doch einfach mal ein gutes Manuskript zu schreiben – vielleicht würde es ja bei ihm Anklang finden. Das war derart arrogant und unverschämt einem gestandenen und sehr erfolgreichen Autor gegenüber, daß es schon fast wieder komisch war. Ich schickte Jonas an den Bayerischen Rundfunk. Auch da kannte ich den Hörspielleiter. Dr. Dieter Hasselblatt, ein außergewöhnlicher Mann, Science-Fiction-Experte und großer Vorkämpfer für das SF-Hörspiel, war sehr interessiert. Es folgten längere Erörterungen und Diskussionen, telefonisch und brieflich. Erwin Weigel kam hinzu, Leiter des Unterhaltungshörspiels im BR und Van-Dusen-Fan (was dem Ganzen bestimmt nicht schadete). Ich schrieb neue Exposés, Sam in seiner endgültigen Gestalt wurde geboren, aus einigen Vorschlägen, die ich für den Reihentitel machte, entschieden Hasselblatt und Weigel sich für den "Letzten Detektiv". Vier Folgen pro Jahr sollten es werden, redaktionell betreut und finanziert von zwei Abteilungen des BR in Kooperation, dem Hörspiel und der Unterhaltung. Im Sommer 1983 schrieb ich die erste Folge, "Testmarkt", schickte sie ein, kriegte einen begeisterten Brief zurück. Ich fing gleich mit der zweiten Folge, "Safari", an – und ließ sie halbfertig liegen. Warum? Umzug von Berlin nach Wilhelmshaven mit hunderten von Bücherkartons, die ich alle selbst ein- und auspacken mußte. Das kostete Zeit. Aber Mitte 1984 waren die ersten vier Manuskripte fertig. Frank Duval machte eine schöne Musik, die Besetzungen standen, die Produktion konnte beginnen. Im Oktober und November 1984 wurde die erste Staffel gesendet. So fing es an. Wie es über viele erfolgreiche Jahre weiterging und wie "Der letzte Detektiv" schließlich vor der Zeit sterben mußte – darüber später.
Michael Koser, Mai 2006 |